100 Tage mit der Linhof Technika V – Einstieg in die Großformatfotografie

19. März 2023
von Boris Karnikowski
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Dieser Artikel möchte allen Einstiegerinnen in die Großformatfotografie die ersten Schritte von der Zusammenstellung der Ausrüstung bis zum ersten richtig belichteten Bild erleichtern. Die enthaltenen Informationen sind über Dutzende von YouTube-Videos, Blogs und Websites verteilt, und vieles erfährt man nur in Kursen oder im Gespräch mit Enthusiasten und Profis. Ich fotografiere seit über 100 Tagen mit der Linhof Technika V und habe mir mein Einsteigerwissen aus all diesen Quellen zusammengetragen. Ein paar dieser Quellen werde ich am Ende dieses Beitrags verlinken, damit Sie Ihr Wissen dort ­vertiefen können.

Farbfoto der Halde Rheinelbe mit der »Himmelsleiter«-Skulptur (Super-Angulon 90 mm 1:5,6, 1 s, f/32 auf Kodak Ektar 100)
Halde Rheinelbe mit der »Himmelsleiter«-Skulptur (Super-Angulon 90 mm 1:5,6, 1 s, f/32 auf Kodak Ektar 100)

Welches Format – 8 x 10’’ oder 4 x 5’’?

Es gibt viele verschiedene Filmformate, die unter »Großformat« fallen, doch die populärsten und am besten von Kamera- und Filmherstellern unterstützten sind 4 x 5“ (ca. 10 x 13 cm), 8 x 10“ (ca. 20 x 26 cm) und vielleicht noch 9 x 12 cm, das sich nie richtig durchsetzen konnte und für das deutlich weniger Filme angeboten werden.

Bevor Sie sich für ein Kameraformat entscheiden, sollten Sie also prüfen, welche Filme dazu noch erhältlich sind – und was sie kosten. Eine 10er Schachtel Kodak Portra 400 im 8 x 10’’-Format kostet aktuell 369,- €, im 4 x 5’’-Format »nur noch« knappe 90,- €. Und auch, wenn man nur Schwarzweiß fotografieren möchte, sind die Preisunterschiede zwischen den beiden Formaten erheblich. Eine 25er-Packung Ilford HP5+ kostet knapp 190,- € für 25 Blatt des 8 x 10’’ Films vs. ca. 60,- € für die gleiche Anzahl an Filmen in 4 x 5’’ (Fomapan ist noch billiger, bietet dafür aber auch schlechtere Qualität).

Dazu kommt natürlich, dass 4 x 5“-Kameras mit den dazugehörigen Objektiven handlicher sind als ihre großen Schwestern, die Objektive sind lichtstärker – die Entscheidung hängt hier auch vom Einsatzszenario ab. Erstaunlicherweise spielt der Preis für die Kamerahardware die geringere Rolle – für gebrauchte, gut erhaltene Großformatkameras beider Formate muss man zwischen 900 € und 1.500 € investieren, und auch die Objektive tun sich preislich nicht viel (wenn man die Top-Liga für den Anfang ausschließt).

Meine Entscheidung fiel auf die Linhof Technika V, die im zusammengeklappten Zustand kompakt, sehr transportabel und dazu äußerst robust ist. Sie wurde seit Anfang der 70er Jahre in München gefertigt und die Technika-Produktlinie hat über die Jahre viele Verbesserungen erfahren, bis hin zur ­aktuellen Linhof Technika Master 3000. Gebrauchte Technika V-Modelle in gutem Zustand gibt es schon ab 900 €.

Aufbau

Allen Großformatkameras gemein ist, dass sie eine sogenannte »Front- «und »Rückstandarte« haben, die in drei Achsen beweglich gelagert und durch einen Balgen verbunden sind. In die Frontstandarte setzt man das Objektiv mit dem Verschluss ein, die Rückstandarte trägt das Filmfach, in das man die Filmhalter steckt. Der Balgen schließt den Raum dazwischen lichtdicht ab und wird auf die vom Objektiv festgelegte Brennweite ausgezogen. Die Scharfstellung erfolgt bei geöffnetem Verschluss auf der Mattscheibe auf der Rückseite des Filmfachs – dazu braucht man eine Lupe zum Scharfstellen und das berühmte Dunkeltuch, um überhaupt etwas auf der Mattscheibe erkennen zu können. Die Bauweise der Kamera bestimmt, worauf Standarten und Balgen laufen und wie sie verschwenkt werden können (zur Perspektiv- und Schärfekorrektur, dazu später mehr). Man unterscheidet zwei Bauweisen:

  • Laufboden: hier laufen Standarte und Balgen auf einer Platte gelagert, wie bei der Technika (der Laufboden verschließt die Kamera im zusammengeklappten Zustand) oder der Chamonix.
  • Monorail: hier sind Vor- und Rückstandarte sehr flexibel einstellbar auf einer Schiene befestigt (wie bei vielen Sina- und Plaubel-Modellen); die sogenannte »optische Bank« ist eine feinmechanische Variante der Monorail-Bauweise, die zusätzlich mit sehr präzisen Einstellmöglichkeiten aufwartet (wie bei der Linhof Technikkardan).

Großformatkameras auf Monorail (und erst recht auf der optischen Bank) sind eigentlich für den Einsatz im Studio gedacht – sie sind also sperrig und schwer und müssen regelrecht aufgebaut werden . Es kommt hier sicher auch auf Einsatzszenario und -bereitschaft an, aber wenn Sie Ihre Großformatkamera möglichst oft und breit nutzen, also auch mal auf Touren mitnehmen möchten, dann rate ich Ihnen zu einer Laufbodenkamera.

Großformatkameras in Laufbodenbauweise gibt es von mehreren Herstellern – und durchaus als Neuware:

  • Linhof (https://linhof.com, aus München und Erbauer so legendärer Modelle wie der Technika V, um die es im Weiteren gehen wird)
  • Ebony (extrem hochwertig gefertigte Modelle aus Japan, leider seit Sommer 2016 nur noch gebraucht erhältlich, etwa auf eBay)
  • Toyo (https://toyoview.com/, aus USA, bei uns nur via eBay)
  • Chamonix (http://www.chamonixviewcameras.eu/, aus China, mittlerweile hierzulande über Jobo im Vertrieb, sehr schöner Materialmix aus Holz, Alu, Carbon und verglichen mit Ebony oder Toyo auch neu relativ erschwinglich)
  • Intrepid (https://intrepidcamera.co.uk/, die günstigste Einsteiger-Variante)

Nicht vergessen sollte man »Großvater« Graflex, dessen Modelle Sie hier und da noch auf eBay finden (der de-facto-Klassiker – die Modelle Speed Graphic und Crown Graphic hatten mit dem Graflok quasi das sogenannte »internationale Rückteil« definiert).

Bei Ihrer Kaufentscheidung sollten Sie im Auge behalten, dass Ihre Wunsch-Kamera das internationale Rückteil unterstützt (denn die hierzu kompatiblen Filmhalter sind am verbreitetsten). Die Objektive sollten via Platte montiert werden können, sodass Sie ggf. nur diese austauschen müssen (dazu weiter unten mehr). Wenn Sie umfassende Kameraverstellungen vornehmen möchten, sollte die Kamera die entsprechenden Verstellmöglichkeiten bei Front- und Rückstandarte bieten. Und schließlich ist Transportabilität ein Kriterium, auch wenn alle oben genannten ­Kamerahersteller sehr kompakt zusammenfaltbare Modelle anbieten. So wiegt die Technika V satte 2,6 kg, die gewichtsoptimierte Chamonix C45F-2 aber gerade mal 1,5 kg. Denn bedenken Sie: Zusätzlich zu den Objektiven und Filmkassetten müssen Sie immer ein Stativ ins Gesamtgewicht einkalkulieren.

Ich habe mich für den Anfang für die Linhof Technika V entschieden, weil sie für mich das Optimum an Kompakt- und Robustheit bietet, auch wenn sie weniger Spielraum für Kameraverstellungen bietet und die früheren Modelle wie etwa die V etwas eingeschränkt sind, was den Einsatz von Weitwinkel-Objektiven angeht, und ihre Vorteile eher bei Telebrennweiten ausspielen. Wenn Ihr Budget etwas mehr hergibt als die ca. 900,- € für eine Technika V, werfen Sie doch einen Blick auf die beiden 4 x 5“-Modelle von Chamonix.

Ausrüstung

Welche Objektive?

Ein gutes gebrauchtes Großformatobjektiv kostet ­zwischen 300,- € und 500,- € und sollte folgende ­Eigenschaften besitzen:

  • einen großen Bildkreis (denn der ermöglicht Ihnen die Kameraverstellungen, dazu gleich mehr)
  • klare Gläser, frei von Kratzern und Pilz (klar) und
  • es sollte auf einen Verschluss und eine zu Ihrer Kamera passende Objektivplatine montiert sein – achten Sie für den Anfang beim Kauf unbedingt darauf, dass beides vorhanden ist, denn Nachkauf und Montage sind nicht trivial und erfordern neben Fachwissen einen speziellen Montageschlüssel. Mit ein bisschen Erfahrung erhalten Sie mehr Spielraum bei der Auswahl, wenn Sie Objektiv und Verschluss selbst auf eine neue Objektivplatine montieren, deren Lochdurchmesser natürlich zu Objektiv und Verschluss passen muss (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Objektivplatine). Eventuell helfen Ihnen Adapter zwischen den verschiedenen Objektivplatinenbauweisen: https://www.largeformatphotography.info/forum/showthread.php?149961-Lens-Board-Compatibility). Nur von der Selbstmontage von Objektiv und Verschluss möchte ich Ihnen für den Beginn abraten – beachten Sie, dass durchaus ­Objektive ohne Verschluss angeboten werden!
Drei Großformatobjektive auf den typischen Linhof-Objektivplatinen mit den Aussparungen am unteren Rand – von links nach rechts: Schneider Kreuznach Symmar-S 240 mm/1:5,6, Schneider Symmar-S 135 mm/1:5,6 (steht verkehrt herum, so dass Sie die Rückseite der Objektivplatine sehen) und ein Schneider Kreuznach Super-Angulon 90 mm/1:5,6. Deutlich zu sehen: der ringförmige Verschluss mit Zeiten- und Blendenskala sowie Auslösehebel und Drahtauslöserbuchse, der vor der Platte zwischen den beiden Objektivhälften sitzt. Die Bauhöhe des 240 mm-Teles und des 90 mm-Weitwinkels unterscheiden sich übrigens kaum – die Brennweite wird mit dem Balgen eingestellt.

In welche Brennweite Sie für Ihr erstes Objektiv investieren, wissen Sie selbst am besten – bedenken Sie nur, dass Sie diese im Format 4 x 5’’ durch 3,6 (und bei 8 x 10’’ durch 7,2) teilen müssen, um das Kleinbildäquivalent zu erhalten. Ein 240-mm-Objektiv hat auf einer 4 x 5’’-Kamera also eine zum KB äquivalente Brennweite von nicht mal 70 mm! Für Landschaftsfotografie mit einer 4 x 5“ etwa könnte Ihnen ein 90 mm-Objektiv reichen, für Architektur braucht es sicher schon 75 mm. Für Porträts wiederum werden Sie nicht unter 200 mm gehen wollen. Die Lichtstärke bei Großformatobjektiven ist übrigens entsprechend niedrig: die meisten Objektive im genannten Preisrahmen haben eine Offenblende von 1:5,6 (und wenn Sie an obigen Faktor und an die Formel zur Berechnung der Lichtstärke denken, wissen Sie auch, warum Großformat-Objektive umso größer und lichtschwächer werden, je größer das Filmformat ausfällt).

Weitwinkelbrennweiten an der Technika V

Wenn Sie nach Objektiven für die Linhof Technika ­suchen, werden Sie eine große Spanne an Brennweiten finden, von unter 60 mm bis weiter über 300 mm. Bei der Technika V sind Sie allerdings in der Wahl der Weitwinkelbrennweite durch Kameragehäuse und Laufboden begrenzt. Schon bei 90 mm sind Kameraverstellungen kaum noch möglich, weil der Balgen zu weit eingezogen ist und schnell an den oberen Gehäuserand stößt. Möchte man Perspektivkorrekturen vornehmen, schiebt man die gekippte Frontstandarte vom Oberschlitten zurück in die »Parkstellung« und stellt über die (parallel gekippte) Rückstandarte scharf. Den Laufboden muss man dafür herunterklappen, weil er sonst ins Bild ragt. Kurz: Wollen Sie weitwinkliger als mit 90 mm fotografieren, ist die Technika V die falsche Kamera. Abhilfe könnte die Technika Master schaffen, deren Frontstandarte sich weiter nach oben shiften lässt – oder die Technika Master 3000, die über einen eingebauten Weitwinkelschlitten verfügt (aktuell nur neu erhältlich). Grundsätzlich sollten Sie aber lieber zu anderen Kamerafabrikaten greifen, wie etwa zu ­Chamonix.

Deutliche Kameraverstellungen (etwa zur Perspektivkorrektur) sind mit der Technika V eigentlich sinnvoll erst ab ca. 150 mm möglich. Grundsätzlich gilt: Je länger die Brennweite, desto einfacher, weil bei länger ausgezogenem Balgen der Spielraum zur Verstellung von Front- und Rückstandarte größer ist. Laufboden und Balgen der Technika V können maximal auf eine Brennweite von 400 mm ausgezogen werden (was ein Vorteil der Technika gegenüber anderen Laufbodenkameras ist).

Die Technika V mit dem montierten Symmar-S 240 mm/1:5,6 und dem auf die Objektivbrennweite ausgezogenen Balgen (der Abstand zwischen etwa der Mitte des Verschlusses und dem Filmebenensymbol auf dem Rückteil hinten beträgt 24 cm). Sie sehen deutlich den zweiteiligen Schlitten – der Oberschlitten wurde zunächst maximal ausgezogen (siehe Beschreibung unten), die letzten Zentimeter habe ich dann mit den Fokussierrädern dazugegeben. Das Objektiv steht nun auf der Ausgangsposition »Unendlich«.

Wenn Sie Ihre Wunschbrennweite ermittelt haben, machen Sie sich auf die Suche nach einem Objektiv, das diese mit einem möglichst großen Bildkreis vereint. Erst ein großer Bildkreis erlaubt Ihnen, die Kameraverstellungen etwa zur Perspektivkorrektur zu nutzen. Weil das zu Beginn etwas abstrakt ist: Stellen Sie sich anstelle des Objektivs eine Taschenlampe vor, die einen Lichtkreis auf eine Platte wirft – idealerweise ist dieser Kreis so groß, dass Sie ihn im Rahmen der Möglichkeiten Ihrer Kamera über die Platte bewegen können, ohne dass der Rand des Lichtkreises die Kanten der Platte berührt.

Beachten müssen Sie die Angaben zum Bildkreis vor allem bei Standard- und Weitwinkelbrennweiten (also bei allem unter 140 mm). Teleobjektive sitzen auf ­einem ihrer Brennweite entsprechend ausgezogenem Balgen und haben so »von Haus aus« schon einen großen Bildkreis – hier gibt es keine Probleme (denken Sie an das Beispiel mit der Taschenlampe – wenn Sie ­diese von der Platte wegbewegen, wird der der Lichtkreis größer). Leider wird der Bildkreisdurchmesser auf eBay so gut wie nie angegeben, Sie müssen sich also im Vorfeld informieren, welche Objektivtypen ­welcher Hersteller welche Bildkreise mitbringen. Hier stechen zwei ­Fabrikate hervor: die Super Angulon-Objektive von Schneider ­Kreuznach (http://www.optik-foto-mueller.com/Linhof/%20Schneideranalog.pdf zeigt auf der letzten Seite eine Übersicht) sowie die Grandagons von ­Rodenstock – beide sind gebraucht für um die 500 € erhältlich.

Verschlüsse und Objektivplatine

Großformatobjektive bestehen aus zwei Hälften, zwischen denen der sogenannte »Zentralverschluss« und die Objektivplatine montiert sind. Bei den meisten Zentralverschlüssen handelt es sich um Fabrikate wie Copal, Compur oder Prontor. Modernere Verschlüsse erlauben Belichtungszeiten bis 1/500 s, ältere Modelle nur bis 1/250 oder 1/125 s. Ausgelöst wird der Verschluss nach dem Spannen erschütterungsfrei über einen Drahtauslöser, selbstspannende Verschlüsse spannen sich beim Betätigen des Auslösehebels, was praktisch ist. Vor dem Auslösen öffnet man den Verschluss über einen speziellen Hebel (oder stellt die Verschlusszeit auf »B«), um das Bild einrichten zu können. Wichtig: Gibt es diesen Hebel bei Ihnen, sollten Sie ihn nie bei gespanntem Verschluss betätigen, weil sonst die Mechanik beschädigt werden könnte. Der Compur meines Symmar-Teles zeigt daher bei gespanntem Verschluss ein rotes Fähnchen aus Metall.

Vorsicht, Verschluss gespannt!

Schließlich die Objektivplatine: Sie muss nicht nur ­kompatibel zu Ihrer Großformatkamera sein, das Loch in ihrer Mitte muss in puncto Größe auch zu Objektiv und Verschluss passen (nochmal: siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Objektivplatine). Wenn Sie alles – Verschluss und Objektivplatine – vormontiert kaufen, vermeiden Sie für den Einstieg Aufwand und Kosten. Wenn Sie die Objektivplatine dazu bzw. extra kaufen, achten Sie darauf, dass sie aus Metall ist (es gibt preiswerte Objektivplatinen aus 3D-Druck, denen ich meine schwereren Objektive nicht anvertrauen würde).

Eine detaillierte Übersicht über Großformatobjektive (nach Fabrikat) inklusive aller wichtigen Informationen wie Bildkreisdurchmesser und Verschlussgröße finden Sie unter https://lf.animaux.de/lenses.

Filmhalter

Auch Ihre 4 x 5’’-Filmhalter werden Sie gebraucht kaufen – am besten im 4er- oder 5er-Pack zu einem Stückpreis von ca. 20 – 30 €. Sie sollten jede Seite dieser Doppelkassetten auf Lichtdichtigkeit testen, bevor Sie sie für wertvolle Motive und Filme einsetzen. Dazu empfiehlt es sich, die Seiten der Kassetten fortlaufend durchzunummerieren und bei den Testaufnahmen ­Motive und laufende Nummer zu protokollieren. Wiederholen Sie das für jede frisch erworbene Kassette (bei mir hatten zwei von neun Kassetten Lichtlecks unterhalb der Schieber).

Beim Fidelity-Astra-Filmhalter entriegelt man den Schieber über diesen Knopf (1). Nummerieren Sie Ihre Filmhalter durch (2) (jede Seite erhält eine fortlaufende Nummer), das hilft Ihnen beim Finden etwaiger Lichtlecks. Der Schieber (3) hat eine weiße (= unbelichtet) und eine schwarze (= belichtet) Kopfleiste – nach der Belichtung setzen Sie ihn mit der schwarzen Leiste nach vorne wieder ein. Praktisch: Damit Sie auch im Dunkeln erkennen, wie rum sie den Schieber einsetzen müssen, haben die Leisten der Fidelity-Filmhalter auf der weißen Seite Noppen.

Der Markt für gebrauchte Filmhalter ist etwas ­unübersichtlich, da es zum einen verschiedene Fabrikate, zum anderen aber auch baugleiche Versionen ­unter verschiedenen Markenbezeichnungen zu ­geben scheint, und auch Kassette und Schieber scheinen nicht immer zusammenzupassen. Ich beschränke mich daher auf eine Empfehlung für die Fidelity Astra-Filmhalter. Nicht nur wegen der großen Grifflaschen, sondern vor allem wegen der Arretierung des Schiebers, die ein versehentliches Herausziehen/-rutschen ­sicher verhindert (andere Filmhalter – auch von Fidelity – ­haben oft nur einen kleinen drehbaren Haken, der die Schieber arretieren soll, das aber selten zuverlässig tut). Bei der Technika V muss ich diese Arretierung vor dem Einschieben von Hand eindrücken und den Schieber vorsichtig (!) einen Millimeter herausziehen – bei anderen Kameras wird diese Arretierung automatisch beim Einschieben des Filmhalters gelöst.

Filme

Bei Filmen werden Sie Ihre eigenen Favoriten haben (die Chancen stehen gut, dass Sie die auch als Planfilme im Format 4 x 5’’ bekommen) – und einen kurzen Überblick über Formate und Preise habe ich Ihnen ja schon zu Beginn gegeben. Wichtig erscheint mir an dieser Stelle nur eins: was Sie im Inneren der Filmschachtel finden, wenn Sie zum ersten Mal Ihre Filmhalter laden, denn naturgemäß können Sie das ja dann nicht sehen. Ilfords Schwarzweiß-Planfilme HP5+ und FP4 etwa sind im Format 4 x 5’’ ab 25 Blatt/Packung erhältlich – bei Kodak geht es schon ab 10 Blatt los, allerdings zu einem höheren Preis. Bei beiden Herstellern finden Sie nach dem Öffnen der Schachtel (in der ­Dunkelkammer oder einem großen Wechselsack) einen zweiten ­Deckel, der den Unterboden nochmal nach oben verschließt. Darunter steckt bei Ilford eine Tüte aus dickem Plastik, in der schließlich in einer Art Pappumschlag die Filme liegen. Das ist weitaus durchdachter und sicherer als etwa beim Kodak Ektar, der nicht in einer Plastik-, sondern in einer Art »Frischetüte« aus Papier kommt, die man aufschneiden muss (und die nicht zuverlässig wiederverschließbar ist). Vergessen Sie bei Kodak-Planfilm also nicht, eine Schere mit in den Wechselsack bzw. in die Dunkelkammer zu nehmen. Solange der zweite Deckel vorhanden ist, schließt aber auch die Kodak-Schachtel lichtdicht – unsere Autorin Monika Andrae verzichtet auf die Verwendung einer Plastiktüte und hat damit noch nie schlechte Erfahrungen gemacht.

Das Handling von Planfilm und Filmhaltern ist ­übrigens viel leichter als bei Kleinbild und Mittelformat. Aber wie schon bei Kleinbild und Mittelformat sollten Sie das Einlegen der Filme in die Kassetten oft genug bei Licht üben (mit allen Kassetten – nicht jede ist/läuft gleich gut). Dieses YouTube-Video bietet dazu eine leicht verständliche Anleitung: https://www.youtube.com/watch?v=KdWK8varqDo. Um die Systematik hinter den Kerben (»notches«), die Sie auch auf der Rückseite Ihrer Filmschachtel finden, würde ich mir zu Anfang keine Gedanken machen (einen Eindruck vermittelt https://photondetector.com/tools_ref/filmdata/). Ich rate Ihnen stattdessen unbedingt dazu, Ihre Filmhalter passend zum gerade eingelegten Film zu beschriften und diese sortiert (SW, Farbe, Dia) abzuarbeiten, um nicht im Dunkeln raten zu müssen, ob Sie ­gerade einen Farb- oder einen SW-Film in der Hand halten und ­welche Empfindlichkeit er wohl haben könnte.

Was brauchen Sie noch?

Dass Sie ein Stativ (und eine passende Stativplatte) brauchen, werden Sie sich schon gedacht haben. Was Sie aber auch unbedingt brauchen, ist eine ­Wasserwaage. Denn das ist das Erste, was Sie nach dem Finden Ihres Motivs und dem Montieren der Kamera auf das Stativ tun: diese vertikal und horizontal exakt auszurichten (nicht nur, wenn Sie Architektur fotografieren). Dazu eignen sich diese Duplex-Wasserwaagen aus dem Fotozubehör für 10 €, die sie in den Sucherschuh stecken können, ganz hervorragend. Eine zweite Wasserwaage hilft Ihnen zusätzlich, Front- und Rückstandarte lotrecht auszurichten, wenn Sie die Kamera kippen.

Natürlich brauchen Sie auch ein lichtdichtes Tuch (ein »Dunkel-« oder »Einstelltuch«), unter dem Sie das Bild auf der Mattscheibe beurteilen und scharfstellen können. Ich selbst habe auf eBay etwas Großes und Selbstgenähtes aus schwarzem Cord erstanden, aber es gibt auch leichtere und platzsparendere sogenannte »Fokussierhauben«, die am vorderen Ende zwecks Fixierung eine praktische Kordel haben. Ohne ein solches Einstelltuch haben Sie bei Tageslicht keine Chance, Ihr Bild auf der Mattscheibe zu kontrollieren – es ist viel zu lichtschwach.

Eine Lupe zur Scharfeinstellung ist ebenso unabdingbar. Für unter 20 € gibt es im Fotozubehör Plastiklupen mit 8–10facher Vergrößerung, die ihren Zweck erfüllen. Besser sind natürlich etwas aufwendiger gefertigte Glaslupen, aber achten Sie auf einen Vergrößerungsfaktor zwischen 4 x und 6 x. Und weil die Lupe auf dem Glas der Mattscheibe bzw. auf der Fresnelscheibe aufliegen muss, kann es eine gute Idee sein, den unteren Rand der Lupe mit Gaffa-Tape oder etwas ähnlich Dünnem abzupolstern (eine neue Mattscheibe für die Technika V kostet ca. 100 €,- und der Einbau ist nicht ganz trivial).

Was bei der Beurteilung des Bildes auf der Mattscheibe sehr hilft, ist eine Fresnelfolie oder -scheibe, weil sie das einfallende Licht verstärkt und so für eine gleichmäßig ausgeleuchtete Mattscheibe sorgt. Der Unterschied ist wirklich enorm – ohne die Folie würden Sie auch mit Dunkeltuch Ihre Motive nicht bis an den Rand beurteilen können. Fresnelfolien sind nicht teuer – mich hat ein Doppelpackung gerade mal 10 € gekostet, ich musste sie nur noch anpassen (wichtig: gleichmäßig zuschneiden, damit das konzentrische Ringmuster weiter mittig orientiert ist). Passend gefertige Fresnel-Scheiben finden Sie auf ebay für ca. 40 €.

Zum verwacklungsfreien Auslösen benötigen Sie unbedingt einen Drahtauslöser. Meine Erfahrung: kaufen Sie sich einen gebrauchten, stabilen Drahtauslöser – die Variante, die man überall für bis zu 25 € erhält, löste bei mir irgendwann nicht mehr aus (d. h. der Hub des Auslösedrahtes verringerte sich schon nach kurzer Zeit).

Zuguterletzt möchte ich Ihnen noch die App Viewfinder (für iOS) bzw. Viewfinder Preview (für Android) empfehlen, die Ihnen hilft, ein Motiv auch zu beurteilen, ohne dass Sie die Kamera aufbauen oder dabeihaben müssen. Hier können Sie verschiedene Bildverhältnisse und Brennweiten einstellen, Filme simulieren und sogar Belichtungsdaten ablesen – das spart Zeit und ist auch sehr wertvoll beim Scouten von Motiven unterwegs!

Entwicklung

Im Labor kostet die Entwicklung eines Planfilms (nur 4 x 5’’) etwa 5 € (zzgl. Rücksendung der Negative und ggf. Download der Scans). Dazu muss ich dort Filmkassette oder -schachtel abgeben und bis zu einer Woche warten (wenn es sich um einen Farbfilm handelt). Langfristig preiswerter und schneller geht es, wenn ich selbst entwickele. Das Thema »Entwicklung« ist zwar zu umfassend, um es hier zu behandeln (und ich setze voraus, dass Sie dazu schon etwas Erfahrung besitzen), aber ein paar Tipps für Umsteiger von Kleinbild- oder Mittelformat möchte ich doch geben. Die SW-Entwicklung bleibt vom Prinzip her natürlich gleich, Sie brauchen lediglich einen Planfilmeinsatz für Ihren Entwicklungstank (bzw. einen Entwicklungstank, der groß genug für den Planfilmeinsatz ist). Paterson (für »Handentwicklerinnen«) und Jobo (für Rotationsprozessoren) haben entsprechende Halter im Programm -– hier passen jeweils 6 Planfilme hinein (aber: bei den Jobo-Einsätzen liegen die Filme doch recht eng übereinander und könnten miteinander verkleben, wenn sie nicht ganz plan sitzen – ist mir bislang einmal passiert). Stearman Press hat mit dem SP-445 4 x 5’’ den von früher bekannten 2er-Entwicklungstank wiederbelebt – gerade Großformat eignet sich ja für Adhoc-Entwicklung von Aufnahme zu Aufnahme.

Schwarzweiß-Foto der Wasserbecken vor den Koksöfen der Zeche Zollverein (Symmar-S 240 mm/1:5,6, 1 s, f/32 auf Ilford HP5+)
Das Wasserbecken vor den Koksöfen der Zeche Zollverein (Symmar-S 240 mm/1:5,6, 1 s, f/32 auf Ilford HP5+)

Scan und Nachbearbeitung

Durchlichtscanner wie mein Epson Perfection V700 haben in der Regel Einsätze für 4 x 5’’-Großformatfilm (hier können Sie immer zwei Filme auf einmal scannen). Verwenden Sie eine professionelle Scan-Software wie SilverFast, die wirklich das Maximum aus Ihren Filmen herausholt – und scannen Sie Ihre besten Bilder ausreichend groß (d. h mit der höchsten, nicht interpolierten Auflösung), um in der Bearbeitung alle Reserven zu haben. Die Scans können allerdings sehr groß werden und sind bei der weiteren Bearbeitung und Archivierung entsprechend »sperrig«.

Natürlich können Sie Ihre Filme auch mit Ihrer Digitalkamera abfotografieren, allerdings sinkt der Auflösungsvorteil dieses Ansatzes mit zunehmender Negativgröße – bei Negativen ab 4 x 5“ haben Durchlichtscanner die Nase vorn. So oder so müssen Sie aber die Dateien nachträglich in Photoshop »entflecken«, also mit einem weichen Bereichsreparaturpinsel von mitgescanntem Staub befreien (in Lightroom ist das wegen der Größe der Dateien zu langwierig; solche Korrekturen müssen auch nicht in der Datenbank protokolliert werden). Die weitere Bearbeitung in Lightroom oder Camera Raw erfolgt dann wie immer bzw. ganz nach Ihrem Geschmack, beginnend mit dem Weißabgleich, dem Setzen von Weiß- und Schwarzpunkt, dem Aufhellen der Tiefen, leichtem Nachschärfen usw.

Die Aufnahme

Kamera startklar machen

Abbildung 5 zeigt die Technika V im Gürteltiermodus: extrem stabil verpackt, allerdings ohne Objektiv, das extra aufbewahrt wird (kurzbrennweitige Objektive auf einer sogenannten »versenkten Platte« können montiert bleiben – aber testen Sie das lieber vorsichtig: ­Meine erste Einstellscheibe hatte von einem solchen Versuch des Vorbesitzers eine tiefe Macke, und natürlich kann am Objektiv noch größerer Schaden entstehen).

Die Linhof Technika V im geschlossenen Zustand. Die Wasserwaage im Blitzschuh ist optional, aber praktisch. Nach dem Öffnen des Verschlusses klappen Sie den Laufboden aus.

Der Laufboden (1) besteht aus zwei Auszügen, hier beide in Nullstellung (sie müssen vor dem Schließen der Kamera wieder in diese Nullstellung gebracht ­werden!). Nach dem Öffnen der Kamera drücken Sie als Erstes die Klemmen (2) nach unten und schieben den Oberschlitten in Richtung des roten Pfeils bis zum Anschlag nach hinten, so dass seine Schienen die beiden kurzen Schienen berühren, auf denen die Frontstandarte »parkt« . Drücken Sie dann die beiden Klammern unten an der Frontstandarte (3) zusammen und ziehen Sie die Frontstandarte in Richtung des blauen Pfeils auf den Oberschlitten bis auf die Unendlichposition Ihres Objektivs (bei einem 140 mm-Objektiv etwa 14 cm Abstand von der Filmebenenmarkierung auf der Rückteilseite). Möglicherweise hat Ihre Technika V kleine Anschläge, um diese Positionen zu markieren, wie im Bild zu sehen. Die Frontstandarte muss fest und stabil auf dem Oberschlitten sitzen!

Die ersten Schritte nach dem Öffnen der Technika V.

Setzen Sie nun das Objektiv leicht nach vorne gekippt in die Frontstandarte (Aussparungen der Platte kommen in die Aufnahmen der Frontstandarte unten) und arretieren Sie es mit der Metallklammer am oberen Rand der Frontstandarte – es muss fest in seiner Halterung sitzen. Vergessen Sie vor dem Einsetzen nicht, die Rückkappe abzunehmen!

Die wichtigsten Bedienelemente

Mit einem der beiden Rändelräder vorne (4) stellen Sie scharf (um hinten auf der Mattscheibe ein Bild zu ­sehen, öffnen Sie den Verschluss des Objektivs über den entsprechenden Hebel oder stellen Sie die Verschlusszeit auf „B“ und arretieren Sie den Drahtauslöser). Das linke Rändelrad hat eine Klemme, mit der Sie den eingestellten Fokus arretieren. Wenn Sie an der Frontstandarte unten links die Klemme (5) lösen, können Sie die Frontstandarte seitlich verschieben, wenn Sie die Klemme auf der anderen Seite (6) lösen, können Sie die Frontstandarte um ihre vertikale Achse drehen (nach dem Lösen können Sie jede der Klemmen wieder anziehen, beim Zurückbewegen rastet die Frontstandarte dann wieder in der Ausgangsstellung ein). Mit dem Hebel (7) können Sie die Frontstandarte hoch- und wieder runterfahren (»shiften«) – zum Umschalten zwischen Hoch- und Runterfahren müssen Sie den Griff nach vorne ziehen/nach hinten drücken bzw. den Knopf drehen (der Mechanismus ist etwas fragil). Nach dem Lösen der Rändelräder (8 + 9) und Drücken des linken Rades (8) können Sie die Frontstandarte um ihre horizontale Achse kippen ­(»tilten«) – beide Rändelräder lassen sich festdrehen, um diese Position zu fixieren.

Die Rückseite der Kamera mit der Mattscheibe – hier erkennen Sie auf der Mattscheibe (10) die aufliegende Fresnelfolie, die sich sehr gut zwischen zwei Klemmen positionieren und bei Bedarf auch leicht entfernen lässt. Das Fach für den Filmhalter (11) wird zum Einsetzen des Filmhalters leicht nach hinten gekippt, der Filmhalter wird dann mit etwas Druck von oben hineingeschoben. Wenn Sie die 4 (!) Feststellschrauben (12) lösen und die beidseitigen Entriegelungstasten (13) drücken, können Sie die Rückstandarte (14) kippen. Um zwischen Quer- und Hochformat zu wechseln, drehen Sie sie einfach (keine Entriegelung notwendig).

Workflow beim Fotografieren

Es ist wichtig, dass Sie sich beim Fotografieren im Großformat einen festen Workflow zulegen, sich notfalls auch notieren und den so lange üben, bis Sie ihn intuitiv abspulen können. Das hilft Ihnen, Fehler zu vermeiden, die ärgerlich oder sogar teuer werden können

  • Motiv finden, Stativ und Kamera aufstellen, Ausrichten per Wasserwaage
  • Objektiv in Frontstandarte einsetzen (nicht vergessen, vorher den rückwärtigen Deckel abzunehmen!), Balgen ausziehen auf Objektivbrennweite (für die Linhof Technika gibt es kleine Metallanschläge, die man auf den Führungsschienen montiert und auf die Unendlich-Positionen setzen kann – also dort, wo das jeweilige Objektiv stehen muss, um ohne weitere Fokussierung auf Unendlich scharfzustellen)
  • Drahtauslöser einschrauben
  • Verschluss öffnen (entweder über eigenen Hebel oder Stellen der Verschlusszeit auf »B« und Arretieren des Drahtauslösers)
  • Bild einrichten (ggf. Drehen des Filmhalters der Kamera in Hoch- oder Querformat)
  • Mögliche Perspektivkorrekturen über die Rückstandarte vornehmen, gefolgt vom Nachführen der Frontstandarte – bei einfachen Perspektivkorrekturen etwa bei Gebäuden gilt: die beiden Standarten müssen exakt parallel zueinanderstehen – siehe dazu den Absatz »Kameraverstellungen« weiter unten)
  • Bild scharfstellen (unter Dunkeltuch, mit Lupe)
  • Belichtung messen (über externen Belichtungsmesser oder Apps wie »myLightMeter«)
  • Gemessene Werte an Blende und Verschluss einstellen
  • Verschluss schließen (wichtig!)
  • Verschluss spannen (falls kein selbstspannender Verschluss)
  • Probeauslösen, um zu schauen, ob Verschluss wie gewünscht funktioniert. Ggf. Verschluss wieder spannen (falls kein selbstspannender Verschluss).
  • Filmhalter einsetzen, vorderen Schieber rausziehen, Warten, bis Erschütterungen abgeklungen sind
  • Auslösen
  • Schieber gedreht (d. h. mit der schwarzen Leiste nach vorn – wichtig!) zurück in Filmhalter einsetzen
  • Filmhalter herausnehmen.
  • Schritte 5 bis 7 werden Sie dabei öfter wiederholen müssen – ein Kippen der Rückstandarte etwa bedingt, dass Sie zwecks durchgehender Schärfe auch die Frontstandarte nachführen müssen, mit dem Ergebnis, dass Sie erneut scharfstellen müssen usw.

Die häufigsten Fehler sind:

  • Der Filmhalter wird bei noch offenem Verschluss eingesetzt – wenn man den Schieber herauszieht, wird der Film belichtet (ärgerlich und ­teuer)
  • Nach dem Auslösen vergisst man, den Schieber mit der schwarzen Leiste nach vorn einzusetzen; das lässt sich problemlos korrigieren, solange Sie sich sicher sind, welche Seite Sie belichtet haben; doch zu Beginn wird Sie der ganze Workflow so in Beschlag nehmen, dass Sie das nicht mehr sicher sagen können – und an belebten Locations werden Sie öfter in Gespräche verwickelt, als Ihrer Konzentration zuträglich ist. Im Zweifel nehmen für ein neues Bild einen neuen Filmhalter – lieber ein leeres Negativ/Dia als ein durch Doppelbelichtung verlorenes Bild!
  • Der Drahtauslöser ist nicht richtig eingesetzt bzw. ist defekt und löst nicht aus.

Ich habe mir zu Beginn einen Zettel auf die Rückseite der Linhof geklemmt, der mich an diese drei häufigsten Fehler erinnert.

Kameraverstellungen

Die sogenannten »Kameraverstellungen«, also die Verstellung der Front- und Rückstandarte um drei Achsen, sind das wichtigste Alleinstellungsmerkmal von Großkameras – und am schwierigsten zu erklären. Natürlich sind Kameraverstellungen optional und keine Pflicht – Sie können wunderbare Fotos machen ohne jede Verstellung der Standarten.

Was passiert eigentlich bei Kameraverstellungen? Erinnern Sie sich an das Beispiel mit der Taschenlampe vom Beginn dieses Artikels? Richten Sie einmal den Lichtkegel einer Taschenlampe auf einen Karton o. Ä., und dann drehen, verschieben oder kippen Sie abwechselnd beide gegen- oder miteinander, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie diese Bewegungen den Lichtkreis verändern. Stellen Sie sich nun ­anstelle der Taschenlampe Ihr Objektiv vor, das seinen Bildkreis durch den Balgen auf Ihren Film wirft. Im Grunde passiert genau das, wenn Sie die Front- oder Rückstandarte Ihrer Großformatkamera um die Vertikalachse ­drehen, um die Horizontalachse kippen (»tilten«) oder nach oben oder unten verschieben (»shiften«).

Das wirkt am Anfang noch etwas abstrakt, daher hier nachfolgend zwei Szenarios, die für den Anfang am wichtigsten sind.

Szenario 1: Gebäude ganz aufs Bild bekommen, ohne die Kamera zu kippen

Möchten Sie ein hohes Gebäude mit einem Stück Himmel darüber fotografieren und möchten Sie die Kamera zur Vermeidung »stürzender Linien« nicht kippen, dann verschieben Sie die Frontstandarte ein Stück nach oben (»shiften«) – wenn das nicht ausreicht, versuchen Sie den Abstand zum Motiv zu erhöhen, oder Sie kippen die Kamera doch (siehe dazu Szenario 2). Bei der Technika müssen Sie dazu einen kleinen Hebel an der Frontstandarte betätigen (den Knopf an seinem Vorderende müssen Sie je nach Modell entweder herausziehen oder drehen), bei anderen Großformatkameras müssen Sie nur die entsprechenden Fixierungen lockern und die Frontstandarte per Hand nach oben verschieben. Achten Sie bei der Technika V darauf, bei kürzeren Brennweiten nicht den Balgen am oberen Gehäuserand einzuklemmen.

Kontrollieren Sie nun das Bild auf der Mattscheibe. Haben Sie ausreichend geshiftet oder müssen Sie nachjustieren? Reicht der Bildkreis Ihres Objektives oder sehen Sie beginnende Verschattungen in den Ecken? Im letzteren Fall müssen Sie zurückshiften (bei der Technika drücken Sie dazu den Knopf am Shifthebel rein bzw. drehen ihn und bewegen den Hebel erneut).

Schwarzweiß-Foto vom Bottroper Tetraeder Bottroper (Symmar-S 135 mm/1:5,6, 1/8 s, f/22 auf Ilford HP5+, Rotfilter)
Am Bottroper Tetraeder habe ich beim Verschieben der Frontstandarte nach oben nicht aufgepasst: der Bildkreis des Schneider Symmar-S 135 mm/1:5,6 ist zu klein für große Kameraverstellungen, und am oberen Bildrand ist bereits eine deutliche Abdunklung zu erkennen. (Symmar-S 135 mm/1:5,6, 1/8 s, f/22 auf Ilford HP5+, Rotfilter)

Szenario 2: Perspektivkorrektur vornehmen

Gleiche Ausgangssituation, aber Sie haben nicht die Frontstandarte noch oben geshifted, um das Gebäudedach mit aufs Bild zu bekommen, sondern die Kamera gekippt. Nun bemerken Sie beim Kontrollieren des Bildes, dass das Gebäude stürzende Linien aufweist, also sich nach oben verjüngt bzw. »nach hinten kippt«. Denken Sie an die Taschenlampe und den Karton: Um einen ins Ovale verzerrten Lichtkreis wieder kreisrund erscheinen zu lassen, kippen Sie den Karton – also kippen Sie die Rückstandarte, bis sie wieder lotrecht steht (bei der Technika müssen Sie zuvor die vier großen Schrauben am hinteren Ende lösen und dann die zwei seitlichen Entriegelungstasten drücken.) Nehmen Sie diese Korrektur unter Sicht an der Mattscheibe vor, bis das Gebäude »kerzengerade steht«, dann verstehen Sie sehr schnell, wie die Kippbewegung der Rückstandarte die Perspektive korrigiert. Wichtig: Fixieren Sie die Rückstandarte dann, indem Sie die vier Schrauben wieder anziehen, ohne dass die Rückstandarte sich verschiebt. (Noch wichtiger: beim nächsten Motiv setzen Sie diese Perspektivkorrektur auf null zurück bzw. richten sie entsprechend neu ein.)

Schwarzweiß-Foto der früheren Kohlewäsche der Zeche Zollverein in Essen (beherbergt heute das Ruhr Museum)(Symmar-S 240 mm/1:5,6, 1/125 s, f/16 auf Ilford HP5+)
Die frühere Kohlewäsche der Zeche Zollverein in Essen (beherbergt heute das Ruhr Museum), zwar erhöht vom Besuchersteg aus fotografiert, aber ich musste die Kamera trotzdem etwas kippen, um genügend Himmel über dem Gebäude aufs Bild zu bekommen. Die resultierenden stürzen Linien habe ich durch ein Kippen des Rückteils kompensiert. (Symmar-S 240 mm/1:5,6, 1/125 s, f/16 auf Ilford HP5+)

Allerdings ist nun nur noch ein kleiner Streifen Ihres Motivs am unteren bzw. oberen Rand der Mattscheibe scharf – den Rest haben Sie ja gerade aus der Fokusebene gekippt. Daher müssen Sie nun die Frontstandarte entriegeln (bei der Technika V drücken Sie die beiden Rändelschrauben am oberen Ende) und exakt parallel zur Rückstandarte kippen und arretieren (die Rändelschrauben werden dazu festgedreht). Prüfen Sie, ob das Bild auf der Mattscheibe nun gleichmäßig scharf ist, justieren Sie ggf. nach. Sie können die Wasserwaage zu Hilfe nehmen, indem Sie sie plan an die Standarten halten. – Hier werden Sie zumindest am Anfang mehrere Anläufe brauchen.

Wenn Sie beide Szenarien daheim am »lebenden Objekt« üben möchten: Eine Filmdose auf der Tischkante leistet dazu schon gute Dienste.

Zusammengefasst:

  • Die Fronstandarte kontrolliert den Verlauf der Schärfeebene.
  • Die Rückstandarte kontrolliert die Perspektive.

Sie können die Frontstandarte verstellen, ohne die Rückstandarte nachführen zu müssen, aber nicht umgekehrt. Eine Verstellung der Rückstandarte sorgt immer dafür, dass ein Teil des Motivs aus der Schärfeebene genommen wird. Dann müssen Sie die Frontstandarte entsprechend parallel nachführen. Und noch ein Wort zur Verstellung der Frontstandarte: Durch ein Schwenken oder Kippen können Sie diese gezielt kreativ einsetzen – zum Beispiel, um ein eigentlich schief zur Standardschärfeebene liegendes Objekt scharf erscheinen zu lassen – dazu richten Sie die ­Frontstandarte möglichst parallel zum Objekt aus und blenden auf f/22 ab, um Unschärfen zu minimieren. Aber damit sind wir eigentlich schon bei komplexeren Kameraverstellungen wie etwa dem »Schärfentiefegewinn nach Scheimpflug«, bei dem Front- und Rückstandarte so gegeneinander verstellt werden, dass sich die Verlängerungen von Objektiv-, Schärfe- und ­Bildebene in einem Punkt hinter der Kamera schneiden. Mehr dazu lesen Sie etwa in der nicht umsonst so benannten »Hohen Schule der Kameraverstellung« (https://www.dirkfietz.de/wp-content/uploads/2020/05/Grossformat-Kameraeinstellungen.pdf).

Abschluss

Der Münchener Fotograf Gérard Pleynet sagte einmal während eines Großformatkurses: »Man steht hinter der Kamera wie ein Künstler hinter seiner Staffelei.« Ich finde, das trifft es ganz gut: man arbeitet lange an einem einzelnen Bild, von der Prävisualisierung und Planung über die Umsetzung bis zu Entwicklung und Nachbearbeitung. Das Medium ist wertvoll, weil man neben viel Geld für Filme auch viel Zeit investiert. Man muss sehr konzentriert arbeiten, und körperliche ­Fitness schadet auch nicht. Dass Sie sich zwischendurch auch schon mal die Haare raufen und an sich zweifeln, erschöpft sind vom Herumschleppen Ihrer Ausrüstung oder frustriert von Kosten, Aufwand und Ergebnis – das gehört alles dazu. Sehen Sie es als ­Herausforderung: Wenn Großformatfotografie leicht wäre, wäre sie nur halb so spannend und – nach etwas Praxis – wären Ihre Bilder nur halb so gut! Denn wie sagte ein kanadischer Teilnehmer eines Großformatkurses bei unseren Autor*innen Monika Andrae und Chris Marquardt: »It’s twice the effort, but double the pleasure.«

Mit großem Dank an unsere »Absolut analog«-­Autor*innen Monika Andrae und Chris Marquardt fürs Gegenlesen!

Wenn Sie alle Bilder aus der Serie für diesen Artikel sehen möchten, finden Sie diese auf karnikowski.com.

Quellen

Bedienungsanleitung Linhof Master Technika V
Die Master ist ein Nachfolgemodell, die Bedienungselemente sind aber weitgehend identisch (zu meinem Modell habe ich nichts gefunden): https://linhof.com/wp-content/uploads/2015/12/BA_Linhof_Master_Technika_classic_2000_d.pdf

PDFs verschiedener Hersteller-Kataloge und Bedienungsanleitungen: https://www.dirkfietz.de/historische-linhof-manuals-und-prospekte/

Überblick Schneider Kreuznach-Objektive mit Bildkreisen: http://www.optik-foto-mueller.com/Linhof/%20Schneideranalog.pdf

Planfilm laden: https://www.youtube.com/watch?v=KdWK8varqDo

Community: https://forum.grossformatfotografie.de (deutschsprachig)
https://www.largeformatphotography.info (englischsprachig)

Allgemeine Einführungen in die Großformatfotografie (und verwandte Themen):

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