Location, Licht und Komposition in der Motorradfotografie

07. November 2017
von fotoespresso
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Studioportrait einer Suzuki GSX-R 750. Die Aufnahme entstand unter einem Carport (70 mm, 1/125 s, f/18, ISO 100).

Location, Licht und Komposition in der Motorradfotografie

von Julian Eichhoff

Studioportrait einer Suzuki GSX-R 750. Die Aufnahme entstand unter einem Carport (70 mm, 1/125 s, f/18, ISO 100).

Glaubt man dem Volksmund, so ist des Deutschen liebstes Kind das Auto. Aber nichts ist vergleichbar mit der Hingabe, mit welcher sich Motorradfahrer ihrer Maschine zuwenden. Ein Motorrad ist nämlich nicht nur ein Fahrzeug, um von A nach B zu kommen. Es bedeutet Freiheit, Selbstverwirklichung, Individualität und Nervenkitzel. Motorräder werden penibel gepflegt und gewartet, jeder Motorradfahrer ist stolz auf seine Maschine. Man kann sagen, dass jeder Biker seine Maschine im besten Licht präsentieren möchte. Ich selbst bin Motorradfahrer und Fotograf, daher erlebe ich dieses Phänomen hautnah.

Sucht man jedoch Fotos von Motorrädern im Internet, so findet man abseits von Hochglanzaufnahmen der Hersteller meist nur Schnappschüsse, welche die schönen und stolzen Maschinen nur unzureichend darstellen. Motorräder zu fotografieren ist aber keine Geheimwissenschaft, denn schon mit einfachen Mitteln lassen sich beeindruckende Aufnahmen erstellen.

Ich unterteile die Motorradfotografie in drei Hauptgenres. Fotoshootings on location sind das Pendant eines Porträtshootings in der People-Fotografie. Die Maschine wird mit oder ohne Fahrer in einer passenden Umgebung präsentiert, z. B. auf einem Parkplatz, in einer Industriehalle oder auf einem Feldweg. Um dieses Genre soll es in diesem Artikel gehen, mehr dazu später.

In der Studiofotografie werden Motorradportraits in einer künstlichen Umgebung erstellt (z. B. ­schwarzer oder weißer Hintergrund) und die Beleuchtung ist voll kontrollierbar. Ein großflächiges Hauptlicht über der Maschine (Blitze mit großen Softboxen) sorgt für Spiegelungen auf dem Lack, zwei Blitze oder Reflektoren links und rechts des Motorrades hellen die Seite auf und arbeiten die Konturen heraus. Wie das aussehen kann, ist in Abbildung 1 zu sehen. Übrigens – Sie benötigen für ein Studioshooting mit Motorrädern nicht unbedingt ein ›Studio‹ im Sinne einer großen Halle. Das Foto der Suzuki GSX-R 750 ist unter dem Carport bei mir zu Hause entstanden.

Dominik fährt auf seiner Moto Morini Granpasso 1200 an der Kamera vorbei. Eine Verschlusszeit von 1/20 s lässt Motorrad und Fahrer verwischt erscheinen, was einen optischen wie inhaltlichen Kontrast zum Wort ›SLOW‹ auf der Straße bildet. (58 mm, 1/20 s, f/22, ISO 125)

Das dritte Genre ist die Actionfotografie. Hier wird die Essenz des Motorradfahrens eingefangen. Geschwindigkeit, Bewegung und Schräglage wollen mit der Kamera festgehalten und in eine Bildsprache übersetzt werden, wie es beispielsweise in Abbildung 2 der Fall ist.

In diesem Artikel möchte ich auf das Fotografieren von Motorrädern on Location eingehen. Für eine gelungene Aufnahme sind drei Aspekte von Bedeutung: Location, Licht und Bildkomposition.

Locations für die Motorradfotografie

Eine Location ist die Bühne, auf welcher das Motorrad präsentiert wird. Sie soll interessant und passend sein, jedoch auch nicht vom Star der ­Aufnahme, dem Motorrad, ablenken. Locations lassen sich in zwei ­Kategorien unterteilen: ›weit offene Umgebung‹ und ›begrenzter Raum‹. Locations vom Typ ›weit offene Umgebung‹ sind Orte, an denen viel von der Umgebung zu sehen ist (nomen est omen). Das Auge des Betrachters kann bis zum Horizont schweifen, man erhält den Eindruck von Raum und Weite. Beispiele können sein: ­Feldwege, Parkplätze, eine große Halle, ein Bergpanorama. Achten Sie bei der Suche nach einer solchen Location auf störende Objekte im Hintergrund: Ragen ein Verkehrsschild oder ein Gebäude prominent in den Bildausschnitt, steht evtl. eine Mülltonne oder dergleichen im Weg? Ein Beispiel für eine solche Location sowie das dazu gehörende Foto einer Ducati 748 S Biposto ist in Abbildung 3 zu sehen.

Eine Ducati 748 S Biposto auf einem Feldweg. Die Lichter gehören zur Einflugschneise eines Flughafens, der Weg ist öffentliches Gelände und somit ohne gesonderte Genehmigung befahrbar. Durch eine lange Belichtungszeit konnte der Himmel zur blauen Stunde tiefblau abgebildet werden. (70 mm, 13 s, f/13, ISO 100)

Locations vom Typ ›begrenzter Raum‹ hingegen sind einfach zu finden. Da nur ein kleiner Ausschnitt der Umgebung gezeigt wird, reicht z. B. ein Stück Mauer, um das Motorrad in Szene zu setzen. Dabei ­genügt schon eine Fläche von ca. 5–6 m Breite und 2–3 m Höhe. Es kann ein Stück Wand sein, eine Gebäudeecke, ein Rolltor. Die direkte Umgebung einer solchen Location kann beliebig und unansehnlich sein – man sieht sie im Bild ja nicht. So habe ich z. B. einmal ein Shooting unter einer ansonsten völlig hässlichen Eisenbahnbrücke durchgeführt.

Licht

Zwei Blitze beleuchten diese Yamaha YZF-R1 in spitzem Winkel. Durch die Blitzschirme wird eine gute Ausleuchtung der Umgebung erreicht. Die aus Einkaufsbeuteln selbst gebastelten Sandsäcke auf den Stativfüßen verhindern ein Umkippen der Stative. Die Schirme bieten eine große Angriffsfläche für den Wind, und selbst eine leichte Brise kann zum Umkippen führen. (24 mm, 1/200 s, f/4.5, ISO 100)

Gut eingesetztes Blitzlicht wertet ein Motorradfoto deutlich auf. Sie haben damit die volle Kontrolle über Lichtrichtung und -intensität und können so der Aufnahme etwas Besonderes verleihen. Als Licht setze ich bei meinen Shootings auf ein einfaches und bewährtes Setup. Ich verwende meist zwei Blitze, welche das Motorrad in einem spitzen Winkel beleuchten. Dadurch werden die Konturen des Motorrades gut hervorgehoben und es kommt nicht zum berühmt-berüchtigten Effekt des ›Plattblitzens‹. Ein Beispiel für den Aufbau eines geeigneten Lichtsetups ist auf der nächsten Seite zu sehen.

Eine Ducati Scrambler Full Throttle, fotografiert bei Tageslicht (links zu sehen). Das Bild ist an sich sehr gleichmäßig beleuchtet, aber ein kleiner Streifen Sonnenlicht erhellt den völlig uninteressanten oberen rechten Bildbereich. Das Foto ist nicht schlecht, wirkt aber recht gewöhnlich (80 mm, 1/320 s, f/4, ISO 100).
Im Vollbild die gleiche Maschine, der gleiche Bildausschnitt. Nun wurde Blitzlicht eingesetzt. Die Maschine wirkt viel lebendiger, durch die gezielte Lichtsetzung wird sie ansprechend inszeniert (86 mm, 1/200 s, f/14, ISO 100)

Sie sollten Blitzlicht dabei nicht als ein reines Hilfsmittel betrachten, welches man nur benötigt, wenn nicht genügend Tageslicht verfügbar ist. Blitzlicht ist ein Gestaltungselement, welches auch bei Tageslicht effektiv eingesetzt werden kann! Dies möchte ich in einem Beispiel verdeutlichen. In den Abbildungen über diesem Abstaz wurde eine Ducati Scrambler Full Throttle bei Tageslicht aufgenommen. Die Maschine hebt sich mit ihrem Schwarz-Gelb-Kontrast deutlich von der roten Backsteinmauer ab. Es ist kein schlechtes Foto, aber das ›Wow‹ bleibt aus.
Das ändert sich, wenn zwei Blitze hinzugenommen werden. Die Maschine ist nun im Zentrum des Lichtkegels und springt den Betrachter förmlich an. Die Details des Motorrades wirken viel plastischer. Zum Rand hin wird das Bild dunkler, was die Aufmerksamkeit zusätzlich auf die Bildmitte fokussiert. Beachten Sie außerdem, dass der noch sichtbare Fleck Sonnenlicht oben rechts verschwunden ist. Durch den Einsatz von Blitzlicht können Sie die Blende viel weiter schließen, was dazu führt, dass das Tageslicht ›unterdrückt‹ wird.
Die Blitze geben Ihnen also die Kontrolle über die Lichtsetzung zurück und somit auch die Kontrolle über die kreative Bildgestaltung.

Bildgestaltung

Zuletzt möchte ich noch ein paar Worte zur Komposition der Motorradbilder verlieren. Das Thema kann im Rahmen dieses Artikels nicht erschöpfend behandelt werden, daher beschränke ich mich auf den meiner Meinung nach wichtigsten Aspekt der Bildgestaltung in der Motorradfotografie – die Perspektive. Machen Sie einmal einen Test: Gehen Sie auf Facebook in eine beliebige Motorradgruppe und sichten Sie die Fotos, welche dort eingestellt werden. Eines sticht dabei ins Auge: Die meisten Bilder werden im Stehen aufgenommen. Dadurch ergibt sich eine leicht nach unten gerichtete Perspektive. Dies führt dazu, dass die Proportionen des Motorrades leicht verzerrt dargestellt werden. Des Weiteren ist es eine sehr gewöhnliche Perspektive, denn so sehen Sie das Motorrad auch, wenn Sie vor ihm stehen und es mit bloßen Augen betrachten. Wenn Sie Motorräder fotografieren, sollten sie daher keine Wirkung verschenken und in die Hocke gehen, siehe Abbildung 6. Begegnen Sie der ­Maschine auf Augenhöhe (bzw. auf Tankhöhe) oder tiefer. So wirkt das Motorrad intensiver und evtl. störende Objekte im Hintergrund (z. B. parkende Autos, Werbetafeln, Bäume) rutschen im Bild auch weiter nach unten bzw. verschwinden hinter der Maschine. Ich benutze dafür sehr gerne moderate weitwinklige Brennweiten (ab 24 mm), da sie einen guten Kompromiss zwischen Nähe zum Motorrad und geringer Verzerrung der Proportionen bieten. Seien Sie sich also nicht zu schade, mal in die Hocke zu gehen oder sich sogar für ein gelungenes Foto auf den Boden zu legen (Besitzer von Kameras mit klappbarem Display sind hier eindeutig im Vorteil).

Die tiefe Perspektive schmeichelt dieser BMW S1000RR. Als positiver Nebeneffekt ist aus dieser Position viel vom Himmel zu sehen, welcher zu fortgeschrittener blauer Stunde einen ansprechenden farblichen Rahmen für die Maschine darstellt. (31 mm, 2,5 s, f/2.8, ISO 100)

In diesem Artikel habe ich eine kleine Einführung in die Welt der Motorradfotografie gegeben. Doch es gibt noch viel mehr zu entdecken. Wie setze ich natürliches Licht möglichst effektiv ein? Welche Perspektiven sind geeignet, um ein Motorrad zu fotografieren? Wie führe ich ein Actionshooting durch? Wie fotografiere ich eine Motorradreise ansprechend? Was kann man alles mit Lichtmalerei machen?

All dies können Sie in meinem Buch ›Motorräder fotografieren‹ nachlesen, welches im im dpunkt.verlag erschienen ist. Abonnieren Sie auch gerne kostenlos meinen Blog unter lumenatic.com, in dem ich über meine Motorradshootings und andere Themen der Motorradfotografie berichte.

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1 Kommentar:
  1. Vielen Dank für den tollen Beitrag zu Motorradfotografie. Ich finde das Bild vom Ducati Scrambler Full Throttle umwerfend. Mit dem Licht sieht man erst die ganzen Details der Maschine.

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