Neues Bokehwunder? Laowa 105 mm f/2 STF im Praxistest

09. November 2017
von Steffen Körber
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Neues Bokehwunder? Laowa 105 mm f/2 STF im Praxistest

Mit Venus Optics gibt es nun einen weiteren chinesischen Hersteller auf dem Objektiv-Markt. Die Firma präsentierte sich auf der letzten Photokina mit einer Reihe von vielversprech­enden Objektiven, die unter dem Label ­›Laowa‹ vermarktet werden. Zum damaligen Zeitpunkt waren sie in Deutschland noch nicht verfügbar. Das sieht jetzt anders aus – Foto-Brenner vertreibt sie mittlerweile und stellte uns freundlicherweise ein Objektiv zur Verfügung. Dabei handelt es sich um das Laowa 105 mm f/2 STF, das wir uns in diesem Praxistest etwas genauer anschauen.

Überblick

Das Laowa 105 mm f/2 STF ist ein rein mechanisches und manuelles Objektiv mit Apodisationsfilter und für die Anschlüsse von Canon, Nikon, Pentax und Sony verfügbar. Es kostet derzeit 899 Euro.

Was bedeutet STF?

Die Bezeichnung ›STF‹ steht für ›Smooth Trans Focus‹. Das Objektiv soll also ein besonders weiches Bokeh generieren. Realisiert wird dies durch einen Apodisationsfilter. Dieser sorgt dafür, dass die durch Beugung entstehenden Aufhellungen um die Bildpunkte (›Bokehbubbles‹) wesentlich abgeschwächt werden und damit ein weicherer und harmonischerer Eindruck entsteht.

Neu ist dieses ›Feature‹ nicht: Schon vor fast 20 Jahren kam ein solcher Apodisationsfilter im ­Minolta AF 135 mm f/2.8 [T4.5] STF zum Einsatz. Das gleiche gilt auch für das ­Fujifilm Fujinon XF 56 mm f/1.2 R APD, das 2014 vorgestellt wurde und im Gegensatz zum Laowa 105 mm f/2 STF einen Autofokus besitzt.

Gerade in der Porträtfotografie suchen viele Fotografen immer wieder aufs Neue nach einem Objektiv, das ein besonders schönes Bokeh generiert. Und genau an diese richtet sich das Laowa 105 mm f/2 STF vermutlich auch.

F-Stop vs. T-Stop

Angegeben ist das Objektiv mit einer Anfangsblende von f/2. Die tatsächliche Blende, angegeben durch den T-Blendenwert (engl. transmission stop), liegt allerdings bei 3.2. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die tatsächliche Lichtstärke geringer ist als der theoretische Wert, der als F-Blendenwert angegeben wird. In der Praxis ist das sogar die Regel. Allerdings ist der Unterschied zwischen F-Blende und T-Blende beim Laowa 105 mm f/2 STF doch recht groß. Verantwortlich dafür ist der Apodisationsfilter, der schon bei Offenblende einiges an Licht schluckt. Gerade bei Objektiven, die auch für den Filmeinsatz gedacht sind, hat es sich ­eingebürgert, dass der T-Blendenwert (zusätzlich zum F-Wert) angegeben wird.

Zwei Blendenringe

Laowa 105 mm f/2 STF
Das Objektiv besitzt gleich zwei Blendenringe.

Beim Laowa 105 mm f/2 STF ist die Angabe der Blendenwerte auf besondere Weise gelöst. Das Objektiv besitzt zwei Ringe für das Einstellen der Blende. ­Einer davon öffnet bzw. schließt die hintere Blende, die aus 14 Lamellen besteht und Werte von F 2–22 ermöglicht, und der andere die Blende, die davor liegt, aus acht Lamellen besteht und Werte von T 3.2–8 ermöglicht. So wird nicht nur erkennbar, über welche reale Lichtstärke das Objektiv verfügt, die Blende lässt sich im Videoeinsatz auch gezielt auf die verlässliche Blende einstellen.
Wer das Objektiv sowohl für Foto als auch für Video nutzt, weiß den zweiten Blendenring schnell zu schätzen. Für die reine Fotografie bietet er ansonsten aber keine Vorteile. Im Gegenteil: Das Anbringen bzw. Abnehmen des Objektivs von der Kamera wird durch ihn etwas erschwert, weil man beim Anpacken immer entweder einen der beiden Blendenringe oder den Fokusring greift und dann unumgänglich verdreht.

Haptik und Bedienung

Abgesehen davon ist die Haptik, ebenso wie die Verarbeitung, überaus gelungen. Der Tubus ist aus Metall gefertigt, wodurch das Objektiv ein stolzes Gewicht von 745 Gramm auf die Waage bringt, deshalb aber wertig wirkt und auch ausgesprochen gut in der Hand liegt.
Die manuelle Scharfstellung ist mit dem ­Laowa 105 mm f/2 STF vergleichsweise einfach möglich, weil der Fokusring gut dosierbar ist und einen langen Weg aufweist, also eine sehr feine Einstellung der Fokusentfernung möglich ist. Aber es bleibt natürlich eine manuelle Scharfstellung. Gerade bei Porträts, für die sich die ­Brennweite und der ›Smooth Trans Focus‹ eignen, sind kleine Bewegungen unvermeidbar. Zumindest bei Offenblende ist es daher eine gewisse Herausforderung, Personen korrekt zu fokussieren.

Schärfe

Was nützt eine große Offenblende, wenn man damit keine scharfen Bilder produzieren kann? Glücklicherweise muss man sich darüber mit dem Laowa 105 mm f/2 STF keine großen Sorgen machen – es ist absolut ›offenblendtauglich‹. Schon bei Blende 2 liefert das Objektiv ausreichend scharfe Bilder und erreicht schon nach leichtem Abblenden eine hervorragende Schärfe und einen verbesserten Kontrast.

100-Prozent-Ansicht einer Informationstafel, die mit Offen­blende (f/2) aufgenommen wurde
100-Prozent-Ansicht derselben Informationstafel, wobei jedoch auf f/2.8 abgeblendet wurde

Optische Qualität

Neben der Schärfe gibt es natürlich noch andere Gütekriterien, die ein Objektiv heutzutage aufweisen muss – oder anders gesagt, bestimmte Schwächen sollten vermieden werden. Dazu gehören CAs (chromatische Aberrationen), Verzeichnung und Lensflares, die bei Gegenlicht auftreten können.

Venus Optics wirbt damit, dass CAs und Verzeichnung kein Thema seien. Und tatsächlich ließen sich diese in der Praxis erfreulicherweise auch kaum nachweisen. Anders sieht es bei Gegenlichtsituationen aus: Hier kam es beim Laowa 105 mm f/2 STF hin und wieder zu Lensflares.
Inwiefern das ein Problem darstellt, hängt natürlich davon ab, ob man ein Fan von Gegenlichtaufnahmen ist und diese regelmäßig macht. Und natürlich davon, ob man Lensflares als gestalterisches Mittel ansieht oder als Abbildungsfehler wahrnimmt.

Beispiele

Natürlich dürfen in einem Praxistest auch keine praxis­nahen Beispiele fehlen. Und da ich eingangs bereits erwähnte, dass das Objektiv sich vornehmlich an die Porträtfotografen unter uns richtet, sehen Sie auf dieser und der nächsten Seite Porträtaufnahmen, die mit dem Objektiv aufgenommen wurden.

Alle Bilder wurden auf Grundlage einer Raw-Datei mit dem Kameraprofil ›Porträt‹ entwickelt und nicht weiter bearbeitet. Sie entstanden bei ­Offenblende.

Die mit dem Laowa 105 mm f/2 STF aufgenommenen Porträts sind schon bei Offenblende (f/2) sehr scharf und zeigen keinerlei chromatische Aberrationen. Abgesehen von der hervorragenden Schärfe bei Offenblende produziert das Laowa 105  mm f/2 STF auch ein sehr gefälliges Bokeh. Die Bokehbubbles sind als solche durchaus erkennbar, treten aber nicht störend in Erscheinung.
Zum Vergleich: Mit dem Nikon AF-S 85 mm f/1.8 aufgenommene Bilder weisen auf f/2 abgeblendet eine vergleichbare Schärfe auf, haben aber auch leichte CAs (hier sichtbar an den Haaren). Hinsichtlich des Bokehs sieht man einen deutlichen Unterschied. Die Bokehbubbles treten beim Nikon AF-S 85 mm f/1.8 viel deutlicher als solche in Erscheinung.

Für meinen Geschmack zeigen die mit dem Laowa aufgenommenen Fotos eine sehr natürliche Schärfe. Das Bokeh wirkt äußerst harmonisch und weich.

Zum Vergleich habe ich unter gleichen Bedigungen auch Bilder mit dem Nikon AF-S 85 mm f/1.8 aufgenommen. Bei gleicher Blende (F) wirken die Bilder mit dem Laowa etwas schärfer und das Bokeh auch ruhiger. Außerdem traten keinerlei Bildfehler auf. Zugute halten muss ich dem Nikkor jedoch, dass ich damit im Gegensatz zum manuellen Laowa keinerlei Ausschuss hatte.

Fazit

Ist das Laowa 105 mm f/2 STF ein Bokehwunder? Jein. Das Objektiv liefert ein sehr angenehmes Bokeh, provoziert durch die Lichtstärke (T 3.2) aber keine extremen Bokehbubbles. Es ist also die Frage, was man von einem solchen Objektiv genau erwartet. Für die Porträtfotografie ist dies meiner Meinung nach ein idealer Ansatz. Schließlich stehen hier die Menschen im Vordergrund und es ist meist sinnvoll, den Hintergrund ruhig und unaufdringlich zu halten.

Verpackung Laowa 105 mm f/2 STF
Das Laowa 105 mm f/2 STF in der farbenfrohen Verpackung

Lohnt sich der Kauf? Das ist eine äußerst individuelle Entscheidung. Wenn Sie auf der Suche nach ­einem hochwertigen Porträtobjektiv sind, das schon bei Offenblende scharf abbildet und kaum Bildfehler produziert, dann könnte das Laowa 105 mm f/2 STF durchaus eine Überlegung wert sein – vorausgesetzt, Sie scheuen die manuelle Scharfstellung nicht. Wenn hin und wieder auch das Thema Video auf dem Programm steht, wird es umso interessanter. Und wenn Sie dazu noch ein Bokehliebhaber sind, gibt es wenig Vergleichbares in dem Preissegment, in dem sich das Laowa 105 mm f/2 STF bewegt. Trifft dies ­alles jedoch nicht zu, ist ein 85 mm f/1.8 mit Autofokus­ sicher die vernünftigere Lösung.

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1 Kommentar:
  1. „..provoziert durch die Lichtstärke (T 3.2) aber keine extremen Bokehbubbles…“

    Die T-Stops haben mit der Grösse der Unschärfekreise nichts zu tun
    F-Stop beschreibt das Verhältnis Brennweite zur Blendenöffnung. Dieses beeinflusst die Grösse der Unschärfekreise.
    T-Stop beschreibt die Lichtdurchlässigkeit, welche zusätzlich durch Anzahl der Linsen und deren Lichtdurchlässigkeit bestimmt wird. Bei einer idealen Linse wäre F- und T-Stop identisch.

    Der Vergleich mit dem Nikon 85/1.8 ist hier sinnfrei, da die Abstände Fokusebene / Hintergrund offensichtlich unterschiedlich sind.

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