Die Galerie im November zeigt Bilder von Gregor Strick aus Karlsruhe

Er schreibt:

In den Jahren 1997-1999 habe ich den Aufbau der „Neuen Mitte“ Berlins fotografiert. Entstanden ist eine Serie von sechzig Schwarzweiß-Fotos.

Spätestens seit August 1961 bestand Berlin aus zwei Städten: West- und Ostberlin. Nach dem Mauerfall kam eine dritte hinzu: eben die „Neue Mitte“, d.h. das Regierungsviertel, die Gegend um den Potsdamer Platz und vor allem Teile der Friedrichstraße. Der Umbau dieses Stadtteils sollte Berlins Aufstieg in den Rang einer west-östlichen Metropole unterstreichen. Zugleich symbolisierte er das Entstehen einer neuen europäischen Werteordnung nach dem Kalten Krieg.

Die Entstehung dieses Berlin Nr. 3, dieser Retortenstadt war einerseits ein faszinierender Vorgang, der von vielerlei Hoffnungen begleitet war. Andererseits beschlich einen angesichts der entstehenden Architektur und Städtelandschaft die Ahnung, wie gefährdet der gesellschaftliche Prozeß war, der sich hier ausdrücken sollte.

Die Frage war: Konnte zusammenwachsen, was – angeblich – zusammengehört? Hat man überhaupt hingeschaut, mit wem man es „hüben“ wie „drüben“ zu tun hat? Hat man die Geschichte, die beide Teilstaaten verband, angemessen aufgearbeitet? Oder war es nur der Versuch einer eher gewaltsamen Eingemeindung und „Hauptstadtzeugung“?

Verdächtig war, daß sich die „Neue Mitte“ kaum auf die umliegende Stadt, auf deren Bewohner und auf die urbane Historie bezog. Die neuen Bauten entstammen dem international gebräuchlichen Architektur-Baukasten, dem Geist der Globalisierung, aber nicht dem genius loci. So gesehen ist die „Neue Mitte“ kein offenes Experimentierfeld bestimmter gesellschaftlicher und kultureller Visionen. Man scheint sich hier eher in der Sphäre der Ignoranz und der abstrakten Vorurteile zu bewegen – obwohl die entsprechenden Bauwerke als solche durchaus brillant sein können.

Diese erneute Spaltung Berlins in eine dritte Stadt habe ich nicht als Dokumentator begleitet, sondern als flanierendes Individuum, das seine Stimmungen, Ahnungen und Phantasien festzuhalten versucht, weniger dagegen die objektive Wirklichkeit. Das drückt sich auch in der Superweitwinkeltechnik aus, die ich hier gewählt habe und in der die perspektivische Verschiebung schon an sich Programm ist.



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