von Steffen Körber
Das Mitakon Speedmaster 85mm f/1.2 in der Praxis
von Steffen Körber
Das Mitakon Speedmaster 85mm f/1.2 in der Praxis
Der chinesische Hersteller Zhongyi Optics Electronics bietet unter der Bezeichnung Speedmaster einige extrem lichtstarke Objektive an – eines davon ist das 85 mm f/1.2, welches auf den vielversprechenden Namen ›The Dream‹ getauft wurde. Abgesehen vom Canon 85 mm f/1.2 L USM II ist es in diesem Brennweitenbereich, der sich ideal für Portraits eignet, derzeit konkurrenzlos lichtstark. Passende Anschlüsse gibt es für Canon, Nikon, Sony und Pentax. Dank seiner großen Blendenöffnung verspricht es ein enormes Freistellpotenzial und ein weiches Bokeh. Wie bei allen Objektiven dieser Modellreihe handelt es sich um ein rein manuelles Objektiv, das nicht nur ohne Autofokus arbeitet, sondern auch keinerlei Information an die Kamera weiterleitet.
Manuelles Fokussieren an einer DSLR bei Blende 1.2 klingt wie ein Ritt auf der Rasierklinge. Und auch hinsichtlich der Qualität des Objektivs mag man angesichts des Preises etwas skeptisch sein. Denn obwohl es mit knapp 900 € (erhältlich z. B. bei foto-morgen.de) einen recht stolzen Preis besitzt, ist es im Vergleich zum Canon 85 mm f/1.2 L USM II (ca. 1.800 €) fast schon ein Schnäppchen. Fairerweise muss man dazu sagen, dass das Canon einen Autofokus besitzt.
Vor dem Test des Objektivs interessierte mich natürlich die optische Qualität. Fernab des Pixelpeepings war mir aber besonders die Praxistauglichkeit wichtig. Denn nur, wenn man mit einer Offenblende von f/1.2 auch wirklich arbeiten kann, ergibt eine solche Anschaffung Sinn. Schließlich gibt es in diesem Brennweitenbereich genügend Alternativen mit Anfangsblende f/1.4 oder f/1.8, die mitunter günstiger sind, obwohl sie über einen Autofokus verfügen.
Der erste Eindruck
Wie bereits erwähnt, ist angesichts des Preises und der Unbekanntheit des Herstellers eine gewisse Skepsis vor dem Kauf sicherlich nicht ungewöhnlich. Als ich das Objektiv ausgepackt hatte, war ich jedoch recht zuversichtlich: Das Mitakon wirkt aufgrund des Metallgehäuses und des stolzen Gewichts von über 900 Gramm sehr wertig. Die Bauart des Objektivs ist zwar ein wenig pragmatisch, doch was soll man auch anderes von einem Objektiv erwarten, das nur aus Glas und Metall besteht und ohne jede Form von Elektronik auskommt? Die Verarbeitung ist einwandfrei und die Ringe für Fokus und Blende laufen weich. Und dann wäre ja noch das edel anmutende Etui, das zwar das Objektiv nicht besser macht, aber immerhin für ein standesgemäßes Auftreten sorgt. Schade finde ich nur, dass dem Mitakon keine Gegenlichtblende beiliegt.
Sowas von manuell
Auffällig ist, dass der Blendenring stufenlos einstellbar ist und nicht einrastet. Das ist ein einerseits ein Segen für Videofilmer, weil dadurch kamerainterne Geräusche während der Aufnahme vermieden werden. Es kann im Fotoalltag aber auch zum Fluch werden, wenn sich so die Blende unbemerkt verstellt. In der Praxis ist mir das leider einige Male passiert.
Das Objektiv übermittelt der Kamera keine Änderung der Blende. Legt man in der Kamera ein Profil für das Objektiv an, wird dauerhaft die Anfangsblende angezeigt, egal welche Blende tatsächlich am Objektiv eingestellt wird.
Das Mitakon besitzt leider auch keinen Blendenmitnehmer, sodass umso weniger Licht in den Sucher fällt, je weiter man abblendet. Die Einstellblende entspricht also der Arbeitsblende. Während das Sucher-Bild normalerweise beim Schließen der Blende unverändert bleibt, wird es beim Mitakon merklich dunkler, so dass man schon ab f/8 Schwierigkeiten bekommt, das Motiv überhaupt noch richtig zu erkennen, geschweige denn scharfzustellen. Diese beiden Einschränkungen ergeben in der Kombination aber immerhin den Vorteil, dass die Kamera durch das einfallende Licht trotz falscher Information der Blendenöffnung die Belichtung korrekt misst.
Manuelles Fokussieren
Die Haptik des Objektivs kommt dem manuellen Scharfstellen sehr zu Gute. Der leichte, aber gleichmäßige Widerstand ermöglicht ein ruhiges und genaues Fokussieren. Etwas ungewohnt war für mich zunächst der lange Weg vom Nahbereich bis zur Unendlichstellung. Hier ist beinahe eine ganze Umdrehung – und damit mindestens einmal ›Nachfassen‹ – nötig. Das empfand ich aber nicht als Nachteil, denn in der Praxis kommt es eher selten vor, dass man schnell von nah nach unendlich fokussiert. Bei Portraits ändert sich die Distanz zum Motiv meist nur geringfügig, so dass hier mit dem längeren Weg sogar ein genaueres Fokussieren möglich wird.
Schärfe bei Offenblende
Gerade die Schärfe bei Offenblende ist ein Kriterium, das bei einem solchen Objektiv gegeben sein muss. Fehlt es hier deutlich an Schärfe, ist es bei der Offenblende nicht nutzbar und verfehlt damit seinen Zweck. Für mein Empfinden liefert das Mitakon Speedmaster 85 mm f/1.2 hier sehr gute Ergebnisse. Obwohl sich die Schärfe leicht abgeblendet noch steigert, ist das Objektiv auch bei f/1.2 schon uneingeschränkt nutzbar.
Bokeh
Das Thema Bokeh wird bisweilen sehr intensiv diskutiert und viele Fotografen machen es sich zur Aufgabe, das ultimative Bokeh zu produzieren, obwohl es ja in den meisten Fällen nur als Beiwerk dient. Zu unterscheiden ist zum einen das Freistellpotenzial, also der Grad der Unschärfe des Hintergrunds und zum anderen die Qualität, also die Gefälligkeit des weichen Hintergrunds. Streng genommen wird nur Letzteres als Bokeh bezeichnet. Durch die Blende ist ein enormes Freistellpotenzial bereits garantiert (tatsächlich könnte es noch größer sein, wenn die Naheinstellgrenze nicht bei 1 m liegen würde). Aber wie steht es um das Bokeh des Mitakon? Schauen Sie sich die Bilder an. Für mein Empfinden ist das Bokeh sehr gefällig und unaufdringlich – ganz so, wie es sein soll.
Praxistauglichkeit
Ich habe das Mitakon sowohl an der Nikon D500 als auch an der D800 testen können. Beide Kameras verfügen weder über eine Schnittbild-Mattscheibe noch über Focus-Peaking. Insofern war es auch keine Überraschung, dass das manuelle Fokussieren bei Offenblende eine gewisse Herausforderung darstellen würde. Über das Display mit mehrfacher Vergrößerung ist es zwar ein Leichtes, richtig zu fokussieren, leider benötigt man für diese Vorgehensweise aber ein Stativ, was für Portraits außerhalb eines Studios eher ungeeignet ist.
Ich versuchte also mein Glück beim manuellen Fotografieren durch den Sucher. Nachdem ich die Dioptrien-Einstellung des Suchers noch ein wenig korrigierte und ein Gefühl für den Fokusring bekommen hatte, schaffte ich es immerhin, knapp 50 % korrekt fokussierte Portraits aufzunehmen. Nur selten lag der Fokus völlig daneben, aber bei einem Schärfentiefe-Bereich von lediglich 0,6 cm reicht schon die kleinste Bewegung des Fotografen oder Models aus, um auf den falschen Punkt scharfzustellen. Das ist besonders dann ärgerlich, wenn ansonsten alles an der Aufnahme gepasst hätte. Die Frage der Praxistauglichkeit hängt daher auch von der Erwartung des Fotografen ab, immer zuverlässig korrekt fokussierte Bilder zu erhalten. Wer das erwartet, wird sicherlich enttäuscht werden, wenngleich ich sicher bin, dass man durch Focus-Peaking (sofern Ihre Kamera dies bietet) deutlich weniger Ausschuss produziert. Für mich persönlich stellt das Objektiv eine kreative Bereicherung dar und ich könnte mir viele Gelegenheiten vorstellen, in denen ich es benutzen würde. Immer dann jedoch, wenn es darauf ankommt, zu ›liefern‹, würde ich vermutlich sicherheitshalber auf mein 85 mm f/1.8 zurückgreifen, das über einen Autofokus verfügt.
Fazit
Das Mitakon Speedmaster 85 mm f/1.2 fristet sicherlich ein Nischendasein. Es eignet sich für Portraitfotografen, die sich am manuellen Fokussieren nicht stören und für die extrem geringe Schärfentiefe auch mit einem gewissen Ausschuss leben können. Wer sich mit Blende 1.4 begnügt, erhält bei anderen Herstellern ebenfalls gute Objektive mit Autofokus – und das zu einem ähnlichen Preis. Auch für Videofilmer, die sich eine große Offenblende wünschen, ist das Mitakon eine Überlegung wert. Wem es dabei jedoch nur um die Vorteile eines solide verarbeiteten und rein manuellen Objektivs geht, ist mit dem wesentlich günstigeren Mitakon 85 mm f/2 womöglich besser bedient. Es kostet lediglich 220 €.
Dieser Artikel ist leicht gekürzt und erschien in fotoespresso 4/2016
Danke für den Beitrag. Damit haben Sie mir die Kaufentscheidung etwas erleichter!
Toll verfasster Testbericht. Da kann sich wirklich jede(r) aussuchen, ob man mit den Schwächen dieses Objektives leben will. Gut gemacht!