von Steffen Körber
Fotografie für Frauen: Fotografieren Frauen anders als Männer?
von Steffen Körber
Vor einiger Zeit bin ich über Twitter zufällig auf die Fotografin Stefanie Szillat aufmerksam geworden. Sie hatte auf einen von Ihr ausgerichteten »Photowalk für Frauen« hingewiesen. Auch wenn ich als Mann hiervon natürlich kategorisch ausgeschlossen war, machte mich der Tweet durchaus neugierig. Ich besuchte also Ihre Webseite, um mich etwas genauer darüber zu informieren. Hier erfuhr ich, dass sie sich auch mit Ihrer Business- und Lifestyle-Fotografie auf Frauen spezialisiert hat. Dabei stellte sich mir die Frage, ob sich Frauen womöglich lieber von Frauen fotografieren lassen und ob Frauen tendenziell anders fotografieren als Männer. Im Interview sprach ich daher mit Frau Szillat darüber, was es mit ihrer »Fotografie für Frauen« genau auf sich hat.
Fotografie für Frauen: Fotografieren Frauen anders als Männer?
fotoespresso: Frau Szillat, wie kamen Sie auf die Idee, sich mit Ihrer Fotografie ausschließlich an Frauen zu wenden? Gab es diesbezüglich ein einschneidendes Erlebnis?
Stefanie Szillat: Die Idee, meine Fotografie ausschließlich auf Frauen auszurichten, entstand am Anfang meiner Selbstständigkeit nach dem Ausschlussprinzip. Ich war und bin bis heute nicht wirklich an Hochzeiten interessiert. Ich bin außerdem „nur“ Stiefmutter. Was Kinderfotos für Familien bedeuten, kann ich zwar sehr gut verstehen, aber wie eine Mutter wirklich »tickt«, kann ich natürlich nur begrenzt nachempfinden. Da ich großen Wert darauf lege, mich meinen Kundinnen nahe zu fühlen, sie verstehen zu können und Gemeinsamkeiten zu haben, fielen diese zwei großen Bereiche der kommerziellen Fotografie für mich weg. Und so fotografiere ich heute bevorzugt selbstständige Frauen. Schließlich weiß ich genau, was sie brauchen, wie sie sich fühlen und wohin der Weg gehen soll.
Die eigentliche Story hinter der Frage, warum ich bevorzugt Frauen fotografiere, ist ein klein wenig komplexer. Wie viele andere Frauen hatte ich früher sehr mit Selbstzweifeln zu kämpfen. Als ich Anfang zwanzig war, musste ich aufgrund meines Studiums der Landschaftsarchitektur auch fotografieren. Und so habe ich mich damals mit Photoshop und dessen Möglichkeiten auseinandergesetzt. Sie ahnen es … es blieb nicht bei Landschaftsaufnahmen, sondern ich versuchte mich auch in der Portraitfotografie. Ich fotografierte mit einer kleinen Snapshot-Kamera alles und fast jeden, der mir vor die Linse kam … und eben auch mich selbst. Ein einschneidendes Erlebnis war es, als ich dann zum ersten Mal im Internet für ein Selbstportrait wirklich nette Kommentare bekam und mich daraufhin so gut fühlte. Das Gleiche wollte ich dann anderen Frauen auch ermöglichen.
Ich möchte Frauen mit meiner Fotografie die Möglichkeit bieten, sich mit schönen Portraits einen (oft benötigten) Selbstwertschub zu verschaffen und ihnen dabei helfen, ihre Schönheit zu entdecken und sich selbst zu lieben. Denn mir persönlich hat es geholfen, mein Aussehen und mein Wesen zu akzeptieren und vor allem zu erkennen, dass ich nicht so »hässlich« bin, wie ich immer dachte.
fotoespresso: Stichwort Photoshop – Auf Ihrer Webseite schreiben Sie, dass Sie sehr viel Wert auf Bildbearbeitung legen, warum ist das so?
Stefanie Szillat: Photoshop ist für mich persönlich das Salz in der Suppe. Es erweitert meine Möglichkeiten, wie ein Bild am Ende auf den Betrachter wirkt, ganz enorm. Davon abgesehen sehe ich es als Portraitfotografin für Frauen als meine heilige Pflicht an, Hautunreinheiten, Augenringe und dergleichen verschwinden zu lassen.
fotoespresso: Wie läuft ein typisches Shooting mit Ihnen ab? Was machen Sie vielleicht anders als männliche Fotografen?
Stefanie Szillat: Ich weiß nicht, ob ich etwas anders mache, da ich noch nie jemandem live über die Schulter geschaut habe. Ich habe kein Fotostudio und fotografiere vorwiegend draußen in der Natur. Ich lege außerdem großen Wert auf Vorgespräche und nehme mir dabei viel Zeit. Erst dadurch bekomme ich ein Gefühl für meine Kundin und kann jedes Fotoshooting individuell planen und gemeinsam mit ihr vorbereiten. Ob das auch bei anderen Fotografen üblich ist, kann ich allerdings nicht sagen.
fotoespresso: Ist es für Frauen grundsätzlich angenehmer, von Frauen fotografiert zu werden? Oder was ist der Grund, dass Frauen Sie buchen?
Stefanie Szillat: Frauen unter sich … das ist meistens einfach unkomplizierter. Wir schämen uns weniger, können bestimmte Themen einfacher ansprechen und wissen natürlich, was es heißt, Frau zu sein. Aber ich möchte das nicht generalisieren. Ich glaube, das ist wie die Wahl des Frauenarztes. Die einen schwören auf Frauen und die nächsten würden da nie zu einer Frau gehen. Ein wichtiger Aspekt ist natürlich immer die Rolle des Vertrauens. Als Frau hast du schon zu viel gehört, gelesen und im schlimmsten Fall auch selbst erlebt, als dass du dich in eine potentiell unangenehme Situation begibst. Und da ist es völlig egal, dass die meisten männlichen Fotografen professionell arbeiten … schlechte Erfahrungen mit Männern bestimmen dann fast jeden Lebensbereich einer Frau.
Es ist aber schwer zu sagen, ob ich gebucht werde, weil ich selbst eine Frau bin. Die meisten meiner Kundinnen kommen auf Empfehlung von anderen Frauen, die mich selber schon gebucht hatten oder selbst wiederum eine Freundin haben, die bei mir war. Viele sagen, dass es mit mir sehr entspannt und fröhlich zugeht. Davon abgesehen, dass ihnen meine Bilder gut gefallen, was ja letztendlich die Voraussetzung für eine Zusammenarbeit ist.
fotoespresso: Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Fotografen?
Stefanie Szillat: Bei professionellen Fotografen wenige bis keine. Da geht es dann eher um den eigenen Stil und den individuellen Umgang mit Kunden. Bei Hobbyfotografen habe ich persönlich die Erfahrung gemacht, dass Männer sich zunächst auf die Technik konzentrieren und erst später auf so Dinge wie individuelle Gestaltung und den eigenen Stil. Für viele Frauen ist die Technik am Anfang ein rotes Tuch. Die Leidenschaft für Fotografie entwickelt sich bei vielen Frauen eher aus der Idee heraus, etwas Schönes und Kreatives erschaffen zu wollen.
fotoespresso: Wie wirkt sich das auf die Photowalks und Workshops aus, die Sie ausrichten?
Stefanie Szillat: Weniger Technik, mehr Herz. Ich bringe den Frauen die Fotografie nahe, ohne dabei permanent von ISO, Blende und Verschlusszeit zu faseln. Ich bringe ihnen bei, sich für die schönen Dinge um sie herum zu öffnen und in erster Linie den Prozess des Schaffens zu genießen. „Weniger Perfektion, mehr machen“ lautet die Devise.
fotoespresso: Spielt die Technik bei Frauen also eine untergeordnete Rolle?
Stefanie Szillat: Am Anfang schon, aber das ändert sich schnell, wenn die Frau merkt, dass die Technik einem dazu verhelfen kann, individueller und kreativer zu fotografieren. Es gibt natürlich von Frau zu Frau Unterschiede. Frauen, die sich ein ganzes Arsenal an teurer Ausrüstung anschaffen, nur um dann im Automatikmodus zu fotografieren, kenne ich aber persönlich keine. 😉
fotoespresso: Wie wichtig sind Ihnen technisch perfekte Bilder?
Stefanie Szillat: Was ist ein technisch perfektes Bild? Ich denke, darüber lässt es sich vortrefflich streiten. Für mich persönlich ist ein Bild dann technisch perfekt, wenn die Augen scharf sind. Alles andere ist relativ und sehr von meiner aktuellen Vorliebe für Farbtiefe, Sättigung, Schärfentiefe, Schnitt etc. abhängig. Das kann heute so und morgen wieder anders sein. Und ein Bild muss meiner Meinung nach auch nicht immer perfekt sein. Schon gar nicht, wenn es einen privaten wichtigen Augenblick eingefangen hat und die Gesamtstimmung grandios ist.
fotoespresso: Welche Schwierigkeiten oder Probleme gehen Sie gemeinsam mit den Teilnehmerinnen an?
Stefanie Szillat: Bildgestaltung, Motivfindung, manueller Modus, Langzeitbelichtung, verwackelte Bilder vermeiden – im Grunde fast alle Themen, die es in der Fotografie so gibt. Ich gehe auf jede Frau individuell ein und nehme mir Zeit für ihre ganz persönlichen „Baustellen“.
fotoespresso: Worum geht es bei Ihren Photowalks?
Stefanie Szillat: Es geht um die gemeinsame Freude daran, in netter Gesellschaft unter Gleichgesinnten Fotos zu machen. Es geht darum, Spaß zu haben, draußen Bilder zu machen und mal zu sehen, wie und was andere Frauen so fotografieren. Es geht aber natürlich immer auch darum, etwas zu lernen. Beim Photowalk können mich die Teilnehmerinnen als Fotografin alles fragen. Nicht dass ich immer auf alles sofort eine Antwort hätte, aber ich recherchiere dann gerne und beantworte die Fragen auch noch in unserer Facebook-Gruppe oder schreibe einen Blogpost dazu.
Stefanie Szillat ist Business- und Lifestyle-Fotografin in München, die sich darauf spezialisiert hat, Frauen zu fotografieren. Sie bietet außerdem Einzelcoachings sowie Workshops zum Thema Fotografie an und veranstaltet Photowalks für Frauen.
www.stefanieszillat.de
www.herzundblende.de
Ich selber habe auch eine FB Seite Frauen fotografieren. Ich finde sehr wohl, dass Frauen einen anderen Zugang haben. Das macht es ja gerade so interessant.