von Birgit Hübner
Frühblüher fotografieren: Blütenfotos wie gemalt
von Birgit Hübner
Frühblüher fotografieren: Blütenfotos wie gemalt
(ein Gastbeitrag aus dem in Kürze erscheinenden Gartenfotobuch)
Wohl jeder Gartenliebhaber freut sich daran, die Pracht seines Gartens zu dokumentieren. Ich würde es gerne so können wie die Künstler Monet, Nolde, Liebermann & Co. Da mir jedoch das Talent zum Malen fehlt, habe ich es mit dem Fotoapparat anstelle des Pinsels versucht. Zu den Zeiten der Analogfotografie diente mir die Kamera dazu, die Schönheit des Gartens festzuhalten. Mit der Digitalfotografie und ihrer Möglichkeit, Bilder sofort zu sehen und Fehler dann korrigieren zu können, habe ich mehr fotografische Experimente unternommen und neue Erfahrungen gemacht. Mit der Zeit haben mich Nahaufnahmen von Blüten und Pflanzen immer mehr fasziniert. Nun dient der Garten mir als Quelle für meine Fotomodelle.
Licht für zarte Farben
Mein Ziel bei den Blütenaufnahmen ist, dass die Bilder wie gemalte Aquarelle ausschauen. Dazu ist es wichtig, Motiv und Hintergrund gleichermaßen in den Blick zu nehmen. Zwar soll nur das Hauptmotiv bzw. ein Teil davon scharf sein, doch der Rest des Bildes soll die Wirkung farblich unterstützen. Für den zarten Eindruck eines Aquarells kommen hohe Kontraste nicht infrage. Sie entstehen, wenn man ein sonnenbeschienenes Motiv vor einem im Schatten liegenden Hintergrund fotografiert, der dann fast schwarz wirkt. Mir gefallen insgesamt helle farbige Bilder besser. Diese erreiche ich, indem ich ein im Schatten liegendes Motiv vor einem besonnten Hintergrund abbilde. Manche Blüten verlangen allerdings danach, leicht von der Sonne beschienen und dann im Gegenlicht fotografiert zu werden, wie es bei der Lenzrose hier der Fall ist.
In einem solchen Fall ist es besonders wichtig, dass auch der Hintergrund hell beleuchtet ist. Wenn ich keine optimale Lichtsituation vorfinde, ist es immer noch besser, wenn Motiv und Hintergrund gleichermaßen im Schatten liegen, als wenn beides besonnt ist. Denn die Sonne macht zu starke Kontraste und ruiniert die zart leuchtenden Farben.
Das Bild gestalten
Bei der Gestaltung eines Bildes ist es schöner, mehr als eine Blüte sichtbar werden zu lassen, denn eine einsame Blüte wirkt oft langweilig. Interessanter ist es, noch eine zweite oder mehr Blüten im Bild zu haben, die möglicherweise im unscharfen Bereich liegen. Oder aber man fotografiert die ganze Pflanze. Das geht besonders gut im Frühjahr, denn dann gibt es viele kleine bodennahe Hauptmotive. Es ist dabei angebracht, das Motiv durch den Sucher gründlich zu kontrollieren. Im zeitigen Frühjahr liegt noch allerlei Unrat auf dem Boden, der aufgeräumt werden sollte. Man kann diesen Untergrund auch »vernebeln«, indem etwas nah vor dem Objektiv zu liegen kommt: Ein Blatt oder ein Erdkrumen ganz dicht an der Linse ergeben einen solchen Effekt. Bei höher gelegenen Motiven kann ein Teil einer anderen Pflanze, die nah an der Linse steht, solchen Nebel erzeugen. Damit lässt sich auch ein hart wirkender Schnitt der Motivpflanze am unteren Bildrand verschleiern.
Wenn – wie bei meinen Fotos – nur Teile eines Motivs scharf sein sollen, muss man sich entscheiden, welche das sein sollen. Meist sieht es besser aus, wenn der vordere Teil des Hauptmotivs scharf ist. Sichtbare Staubgefäße einer Blüte möchte der Betrachter allerdings gerne scharf sehen, obwohl sie in der Mitte der Blüte liegen. Man kann mit Bildserien von unterschiedlichen Schärfeebenen sehr gut ermitteln, wie ein Motiv am besten wirkt. Den schönsten Hintergrund suche ich während der Bildgestaltung mit dem Blick durch den Sucher, während ich die Kamera leicht bewege. Manchmal habe ich natürlich schon vorher gesehen, dass ein farbiges sonniges Fleckchen sich als ideal erweisen könnte.
Geeignete Motive
Die besten Motive finde ich im eigenen Garten, da ich ihn gut kenne und zu jeder Zeit aufsuchen kann. Nur selten gelingt mir ein spontan fotografiertes Motiv auf einem Spaziergang oder einer Reise ebenso gut. Im Garten kann ich die optimalen Lichtbedingungen und den besten Entwicklungszustand einer Pflanze nutzen. Manchmal befasse ich mich tagelang mit einem Motiv, bis mir das Ergebnis gefällt. Ein gutes Motiv sollte möglichst frei stehen, denn es ist schwierig, Blüten aus einem Meer von Kameraden herauszulösen, ohne mit der Schere einzugreifen. Ganz wichtig ist genügend Platz hinter der Blüte oder Pflanze.
Sehr hilfreich ist es, Pflanzen zu fotografieren, die noch im Topf stehen. Ich kann das jedem als Übungsobjekt empfehlen, denn einen Topf kann man dorthin tragen, wo die Situation am besten ist. So kann man studieren, wie eine Pflanze vor unterschiedlichem Hintergrund und bei unterschiedlichen Lichtbedingungen wirkt. Deshalb verwende ich jede Neuerwerbung für den Garten erst einmal als Fotomodell.
Meine Aufnahmetechnik
Ich verwende eine digitale Spiegelreflexkamera mit lichtstarken Objektiven. Anfangs hatte ich eine Bridgekamera, die gute Weitwinkelaufnahmen erlaubte. Doch mein Ziel ist es, die Pflanzen und Blüten möglichst vom Hintergrund freizustellen, und dazu benötige ich eine längere Brennweite und weit geöffnete Blende. Meine beiden Lieblingsobjektive für Blütenfotos sind ein 105-mm-Makro mit einer Lichtstärke von 1:2,8 und ein 85-mm-Porträtobjektiv mit 1:1,4. Dieses zaubert einen wunderbar cremig-weichen Hintergrund, hat aber den Nachteil, einen recht großen Mindestabstand zum Motiv zu verlangen.
Meine Kamera hat kein Klappdisplay, da ich es grundsätzlich vorziehe, durch den optischen Sucher zu gucken. Bei bodennahen Aufnahmen verwende ich deshalb einen aufgesteckten Winkelsucher und nutze außerdem den Autofokus, denn bei der Gestaltung des Bildausschnitts muss ich manchmal extreme Körperhaltungen einnehmen. Manuelles Fokussieren wird dann wirklich schwierig. Lieber schieße ich ein paar Aufnahmen mehr und sortiere später aus.
Manche Fotografen sagen, dass sie unbedingt ein Stativ benötigen, um scharfe Bilder zu bekommen. Bei meinen Blütenaquarellen jedoch behindert mich ein Stativ. Um eine Einheit aus Motiv und Hintergrund zu bilden, probiere ich viele kleine Veränderungen im Bildausschnitt aus und verrenke mich dabei bisweilen gehörig. Bei bodennahen Aufnahmen kann ich mich oder die Kamera auf dem Boden abstützen, so dass die Verwacklungsgefahr minimiert wird.
Ansonsten verwende ich keine weiteren Hilfsmittel, weder Polfilter zur Abmilderung von Sonnenreflexen noch einen Reflektor, um zu dunkle Bereiche des Bildes aufzuhellen, und auch keinen Diffusor, um zu stark beleuchtete Teile abzuschatten. Ich warte lieber auf passendes Licht, dafür hat man im eigenen Garten die besten Voraussetzungen. Manchmal biege ich störende Pflanzenteile zur Seite, und in seltenen Fällen gebrauche ich Klammern oder Stützstäbe. Alle diese Hilfsmittel sind nützlich in nicht optimalen Situationen. Nur wirken allzu umfangreiche Vorbereitungen für ein Foto »lusttötend« auf mich, und dann leidet die Kreativität. Ich gucke aus dem Fenster, sehe schönes Licht, schnappe mir die Kamera mit dem passenden Objektiv und los geht´s. Die Arbeit am Motiv erfordert meine totale Konzentration. Diese Fokussierung auf das, was ich gerade mache, erlebe ich als Entspannung pur und besonders heilsam in stressigen Lebenssituationen.
Was ich mit den Bildern mache
Jedes Jahr lasse ich Kalender von meinen Fotos machen, die als Geschenke sehr beliebt sind. Zu besonderen Anlässen und Geburtstagen stelle ich Grußkarten her. Ich drucke sie selbst aus. Dazu bearbeite ich sie so, dass sie keinen harten Rand haben, sondern dass er weich in das Papier übergeht. Ursprünglich war das notwendig, weil mein Drucker nicht randlos drucken konnte. Doch auch heute mit einem Drucker, der dies beherrscht, gefällt es mir so am besten. Manchmal schreibe ich mit einem Bildbearbeitungsprogramm auch noch einen Glückwunsch in das Bild. Ich drucke es dann als Klappkarte auf ein DIN-A4-Blatt, das Bild selbst ist DIN A5. Für die zarten Blütenfotos ist glänzendes Fotopapier ungeeignet, und schweres Normalpapier ergibt auch unbefriedigende Ergebnisse. Nach langer Suche verwende ich für diese Drucke das Papier von Hahnemühle Matt FineArt Smooth Photo Rag 188 g. Dieses Papier ist dünn genug für vermutlich alle einfachen Fotodrucker. Es ist samtig matt und bringt die Feinheiten der Fotos brillant zur Geltung, die Rückseite kann mit allen Stiften beschrieben werden. Wer einen Drucker hat, der schwereres Papier einziehen und bedrucken kann, dem empfehle ich, mithilfe der Testsortimente verschiedener Hersteller sein Lieblingspapier zu ermitteln.
Sind das bezaubernde Fotos. Ich bin hin und weg! Aber eine Fototechnik reicht für solche Effekte (Unschärfen) nicht aus.
Beste Grüße
Anne
Hallo Anne,
mit dem passenden lichtstarken Objekiv mit möglichst großer Brennweite, einer großen Blende und der Wahl eines günstigen Standortes des Motivs reicht es aus. Bei keinem der Bilder sind die Unschärfen zusätzlich durch Bildbearbeitung weichgezeichnet. Es ist wichtig, dass hinter dem Motiv genügend freier Raum ist.
Herzliche Grüße
Birgit
Das gefällt mir. Ich fotografiere gerne in ähnlicher Art und Weise. Allerdings lieber mit Klappdisplay als mit Sucher. Oft nutze ich meine alten Analogobjektive mittels Adaptern an meinen Digitalkameras.
Das ist genau das, wonach ich gesucht habe. Danke für die hilfreichen Infos. Lg
Hallo Birgit,
das ist wirklich ein ausgezeichnet geschriebener und sehr ausführlicher Artikel zum Thema Frühblüher fotografieren! Es war mir eine Freude ihn zu lesen!
Unser Heimatlicht und Naturfotograf Stefan Imig beschäftigt sich schon lange mit dem Thema und hat in unserem Heimatlichter-Magazin auch bereits einen kleinen Artikel dazu veröffentlicht. Sehr lesenswert: https://magazin.heimatlichter.com/heimische-fruehblueher-fruehlingsgefuehle-in-der-naturfotografie/
Viele Grüße, Benny von den Heimatlichtern
Hallo Benny,
danke.
Den Artikel von Stefan Imig habe ich angeschaut, sehr gut. Ich bewundere immer die Fotografen, die in der Landschaft so schöne Motive finden und gekonnt fotografieren. Ich kann solche Motive am besten im eigenen Garten fotografieren, habe dort den Blühzeitpunkt und das Licht unter Kontrolle. Ich fotografiere fast ausschließlich freihand, das kann schon mal schief gehen, deshalb ist es vorteilhaft, die Fotos sofort am PC beurteilen zu können und bei Bedarf neue Fotos zu machen.
Viele Grüße
Birgit Hübner
Hallo Frau Hübner,
die in dem Artikel veröffentlichten Fotos sind wirklich wunderschön und es ist ein Genuss sie anzuschauen.
Die modernen Optiken mit ihrer hochentwickelten Freistellung ermöglichen sehr schön den von Ihnen gewünschten Hintergrund. Da Sie aber u.a. Monet und Liebermann zitieren möchte ich sagen, dass z. B die Mohnfelder von Monet oder Renoir bzw. Liebermanns Bilder aus dem Garten der Wannseevilla nicht über einen stark glattgebügelten Hintergrund verfügen. Fotos Mohnfeld Stil gelingen sehr schön mit vielen alten Analogobjektiven, die für ihre „Maleigenschaften“ bekannt sind. Auch hier macht der Fotograf das Bild und nicht Fotoshop. Aber alles Geschmacksache.
Grüße
Jürgen Daum