von Steffen Körber
Streetfotografie: Was ist erlaubt?
von Steffen Körber
Streetfotografie: Was ist erlaubt?
Streetfotografie erfreut sich seit einigen Jahren wieder großer Beliebtheit. Je größer das Interesse, desto auffälliger wird auch die Unsicherheit darüber, was in der Streetfotografie erlaubt ist. Streetfotograf Thomas Leuthard thematisierte in Ausgabe 05/2015 den »Spagat zwischen Moral und Gesetz« und gab einige Anhaltspunkte, wie man die Streetfotografie gesetzeskonform betreiben kann. Ich möchte diese Anregungen in diesem Artikel wieder aufnehmen und ein wenig fortführen.
Was nicht erlaubt ist
Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte man in Deutschland niemanden fotografieren, ohne vorher eine Einwilligung einzuholen. Als Einwilligung kann schon die wörtliche oder gar mimische Zustimmung (z.B. ein freundliches Lächeln) ausreichen. Problematisch wird es jedoch, dies im Nachhinein zu beweisen. Wer also sicher gehen möchte, muss bereits vor der Aufnahme um die schriftliche Einwilligung desjenigen bitten, den man fotografieren möchte – das geschieht in der Regel mit einem Model-Release.
Wundern Sie sich aber bitte nicht, wenn Ihr Gegenüber etwas skeptisch ist, wenn Sie (als wildfremder Fotograf) ihn oder sie aus heiterem Himmel ansprechen und ihm oder ihr einen Vertrag unter die Nase halten. Selbst wenn die Person dem Fotografieren zustimmt, ist die Spontaneität und Authentizität der Aufnahme dadurch gänzlich verloren. Und stellen Sie sich nur den bürokratischen Aufwand vor, den diese Praxis erfordert.
Was kann man also tun? Viele Streetfotografen ignorieren diese rechtlichen Einschränkungen, fotografieren ganz unbekümmert trotzdem fremde Menschen – und bekommen wohl auch nur in den seltensten Fällen wirkliche Probleme. Schließlich gilt auch hier: Wo kein Kläger, da kein Richter.
Was erlaubt ist
Wenn Sie es jedoch nicht darauf ankommen lassen möchten, im Zweifelsfall mit rechtlichen Problemen konfrontiert zu werden, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als Menschen so zu fotografieren, dass man sie nachher nicht erkennen kann. Um dies zu erreichen, muss man nur etwas kreativ werden.
Silhouetten
Eine Möglichkeit, Menschen unkenntlich zu fotografieren, sind Silhouetten. Sie entstehen dann, wenn sich die Lichtquelle hinter dem Motiv befindet und die Kamera den enormen Dynamikumfang der Szene nicht wie das menschliche Auge abbilden kann. Belichten Sie den Hintergrund mitsamt der Lichtquelle korrekt, ist das Hauptmotiv nur noch als Silhouette erkennbar. (Vorsicht: Tiefen/Schatten lassen sich in der Nachbearbeitung auch wieder aufhellen – damit die Gesichter unerkannt bleiben, können Sie diese mit einem entsprechendem Farbwert füllen oder den Bereich einfach überstempeln.)
Architektur im Vordergrund
Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Architektur in Vordergrund zu heben und den Menschen als sog. »Beiwerk« aufzunehmen – wobei es hier darauf ankommt, dass die Menschen nicht erkennbar sind. Es reicht nicht aus, dass die Architektur nur den größten Teil des Bildes einnimmt. Auch ein klein dargestellter Mensch kann das Hauptmotiv darstellen und darüber hinaus auch erkennbar sein.
Rückansicht
Unproblematisch ist auch die Rückansicht von Personen. Je nach Situation kann diese Aufnahmeposition sogar interessanter sein als die Direktansicht. So bleiben Informationen verborgen, was unweigerlich dazu führt, dass sich dem Betrachter Fragen stellen.
Nahaufnahmen
Nahaufnahmen bieten viele interessante Möglichkeiten. So lässt sich beispielsweise eine Handlung – wie hier das Fotografieren – sehr detailliert und mit Symbolcharakter einfangen. Außerdem drängen sich beim Thema Nahaufnahmen Serien geradezu auf. Konzentrieren Sie sich z.B. auf eine bestimmte Farbe oder Art von Kleidungsstücken (Schuhe, Hüte) und nehmen Sie diese als Serie auf.
Langzeitbelichtung
Eine Langzeitbelichtung ist immer dann eine gute Möglichkeit, wenn nicht die einzelnen Menschen an sich, sondern ihre Bewegung im Zentrum der Bildaussage stehen. Solche Aufnahmen sind auch spontan freihand mit einer Verschlusszeit von etwa 1/30s möglich. Besser ist jedoch die Verwendung eines Stativs mit noch längerer Verschlusszeit.
Spiegelungen
Auch Spiegelungen sind eine kreative Möglichkeit, um das bunte Treiben auf den Straßen einzufangen. Je nach Struktur der Oberfläche kommt es dabei zu dunklerer oder gar verzerrter Darstellung des Motivs, so dass auch hier Personen in nicht erkennbarer Weise dargestellt werden.
Schatten
Ähnlich wie Silhouetten eignen sich auch Schattenwürfe für kreative Streetfotos. Je nach Stand der Sonne finden sich diese direkt auf der Straße oder an Gebäudewänden.
Gezwungenermaßen kreativ
Schaut man sich die Streetfotos aus anderen Ländern an, mag angesichts der Einschränkungen in Deutschland vielleicht Enttäuschung aufkommen. Man kann das Glas aber auch als halbvoll betrachten. Nimmt man die Einschränkungen als Herausforderung, bieten sich nämlich viele kreative Möglichkeiten. Probieren Sie es doch einfach selbst aus – und berichten Sie uns gerne von Ihren Ergebnissen.
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Was mir persönlich am meisten gegen den Strich geht und hauptsächlich eher moralisch „nicht geht“, sind die unzähligen, lieblos gemachten Fotos, die Obdachlose zeigen und allein deswegen als irgendwie „küstlerisch wertvoll“ oder sozialkritisch hingestellt werden.
Nicht falsch verstehen, natürlich kann man auch Obdachlose fotografieren – so wie jeden anderen Menschen auch, solange das Einverständnis vorliegt. Aber nicht selten spricht aus den Bildern eher Voyeurismus, als ein tieferer Sinn.
Ist mir grade so beim Lesen eingefallen, just my 5 Cents 😉
Ich hätte mir mehr an positiver Auseinandersetzung erwartet, als Hinweise, Menschen doch bitte so zu fotografieren, daß sie sich nicht erkennen können.Es gibt zuviele Beiträge, die von vorauseilendem Gehorsam geprägt sind. Entschuldigt bitte, aber wenn ich höre „gesetzeskonforme Straßenfotografie“ …
Straßenfotografie ist in aller Regel erlaubt und der Straßenfotograf ist kein Straftäter. Sollte ich ein Foto machen, weswegen eine/r Betroffene/r mich vor den Kadi schleppt, handelt es sich um eine zivirechtliche, aber in aller Regel nicht um eine strafrechtliche Auseinandersetzung.
Das es sehr unterschiedliche persönliche Ansichten zu „künstlerisch wertvoll“ oder „sozialkritisch“ gibt, liegt in der Natur der Sache, berührt aber die rechtlichen Fragen eher nicht.