Zwischen Horizont und Düne – das Wattenmeer

15. Oktober 2024
von Rudolf Krahm
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Uwe Wuller

Mit seinem weiten Horizont prägt das facettenreiche Wattenmeer die Küsten. Ein Meer, das niemals ruht. Nicht Wasser, nicht Land. Rastplatz für Millionen Vögel. Willkommen im Wattenmeer – eine der faszinierendsten und urwüchsigsten Regionen Europas. Hier, wo sich Himmel und Erde die Bühne teilen!

Wie in einem riesigen Theater inszenieren Licht, Wind und Wellen hier spektakuläre Schauspiele. Das Programm wechselt mehrmals täglich, im Rhythmus der Gezeiten verwandelt das Meer die Panoramen immer wieder neu. Die Natur führt die Regie. Je nach Jahreszeit schiebt der Wind mal zarte, mal dramatische Wolkenkulissen vorbei.

Die Flut baut schnell den Bühnenboden um, bis dann bei Ebbe das Meer wieder zum Horizont entschwindet und ihn neu gestaltet wieder freigibt. Mit rund 10.000 Quadratkilometern Wattflächen, Prielen und Flachwasser, gehört es zu den größten Lebensräumen, die wir in Westeuropa noch haben.

Das Wattenmeer ist weitgehend in seinem ursprünglichen Zustand erhalten, es ist das vogelreichste Gebiet Europas und Deutschlands bedeutendster Naturraum. Der Reichtum an Nahrung und die davon angezogenen Vogelmassen waren wichtige Gründe für die Ausweisung des Wattenmeeres als Nationalpark, sowie die Anerkennung als UNESCO Weltnaturerbe im Jahr 2009.

Abb.1: Gewitterwolken | 24 mm, 1/25 Sek., Blende 9, ISO 100, Stativ

Als ich im September 2012 zum ersten Mal mit dieser Landschaft im NP Niedersächsisches Wattenmeer fotografisch in Berührung kam, hatte sie mich sofort in ihren Bann gezogen. Es war das Licht, das sich immer wieder veränderte. Mal waren dramatische Wolken am blauen Himmel, mal nur weiße Farbtupfer. Seitdem besuche ich regelmäßig die Westfriesischen Inseln vor der Küste der Niederlande bis hin zu den Nordfriesischen Inseln vor der Küste von Schleswig-Holstein. Mitten im Wattenmeer liegt die Nordfriesische Insel Amrum. Durch inzwischen viele Besuche habe ich die Insel kennengelernt und weiß, wo ich am frühen Morgen den besten Standort am Watt habe und wo ich, ohne zu stören, Vogelaufnahmen machen kann.    

Abb.2: Lichtstreifen am Horizont | 35 mm, 2 Sek., Blende 11, ISO 100, Stativ, Polfilter, ND Filter 06 4X, ND 09 Filter Reverse Grad

Morgens am Watt

Strömung und Wellenschlag haben dem festen Wattboden ein verwirrendes Muster von Rippelmarken eingeprägt, die sich nach jeder Tiede wieder verändern. Je nach Stand der Ebbe wirkt das Wattenmeer wie eine scheinbar endlose Schlammwüste. Beim genauen Hinsehen entpuppt sich dieser scheinbar langweilige Naturraum aber als äußerst spannend.

Noch vor der beginnenden Morgendämmerung mache ich mich mit dem Fahrrad auf den Weg zur Odde oder zum Kliff. Über den Gezeitenkalender habe ich mich über den Stand von Ebbe und Flut informiert. Der Wechsel zwischen Ebbe und Flut bietet für mich abwechslungsreiche Situationen. Die Rippelmarken des Sandwatts sind in den frühen Morgenstunden noch nicht mit Fußspuren bedeckt. So kann dann überwiegend ein Weitwinkelobjektiv zum Einsatz kommen.  

Abb.3: Nebel über dem Watt | 24 mm, 1/250 Sek., Blende 9, ISO 100, Polfilter, Stativ

Treffen dann die ersten Sonnenstrahlen auf den Boden und hüllen die Rippel in ein goldenes Licht, bieten sich unendlich viele Motive an. Dann ist es Zeit für einen Objektivwechsel. Vom Makro bis zum Tele ist alles erlaubt.

Abb.4: Goldene Rippelmarken | 100 mm Makro, 1/25 Sek., Blende 9, ISO 100, Stativ

Ist das Sandwatt noch gut begehbar und rippelig, ist bei dem Schlickwatt Vorsicht geboten. Schnell kann man bis zu den Waden einsinken. Da mir das einmal passiert ist und ich mich nur mit Hilfe eines Freundes aus dem Schlick ziehen konnte, baue ich das Stativ nur noch auf festem Boden auf.

Abb.5: Im Schlickwatt | 60 mm, 0,8 Sek., Blende 9, ISO 100, Stativ

Formen und Strukturen

Bei Niedrigwasser und Ebbe bietet der Grund des Meeres ein unermessliches Angebot an Formen und Strukturen. Diese kaum beachteten Details versuche ich dann in den Mittelpunkt der Landschaft zu stellen. Auch hier spielt das Licht für mich eine wichtige Rolle.

Abb.6: Eigentlich ist die Mittagszeit nicht die Zeit, in der ich fotografiere. Die hochstehende Sonne überstrahlte diese Senke aber so stark, dass ich dann doch zur Kamera griff. Das Bild habe ich später am Rechner in Schwarzweiß umgewandelt. | 65 mm, 1/200 Sek., Blende 9, ISO 100, Stativ
Abb.7: Schon bei der Überfahrt mit der Fähre von Dagebüll nach Amrum bieten sich viele Motive an. Beim Auslaufen des Schiffes bei Niedrigwasser konnte ich vom Deck diese Aufnahme machen. | 400 mm, 1/320 Sek., Blende 10, Polfilter, ISO 200

Rastplatz Wattenmeer

Nirgendwo kann man mehr unterschiedliche Vogelarten beobachten wie am Watt. Neben den hier ständig vorkommenden Vögeln, wie z. B. Austernfischer, Säbelschnäbler und Brandgans suchen Jahr für Jahr ca. 12 Millionen Wasser-, Watt- und Küstenvögel aus arktischen und subarktischen Brutgebieten das Wattenmeer auf.

Sie benutzen das Wattenmeer entweder als Winterquartier oder als „Tankstelle“ zur Auffüllung ihrer Energiereserven für die bis zu 5000 km weite Zugstrecke, sei es im Herbst in die südlichen Winterquartiere oder im Frühjahr in ihre Brutgebiete im hohen Norden.

Für einige Wochen sind dann Ringelgans, Knutt, Alpenstrandläufer, Pfeifente und Pfuhlschnepfe in riesigen Schwärmen über dem Watt zusehen.

Abb.8: Im Frühjahr sind die Brutvögel in großen Schwärmen zu beobachten, bevor sie sich nach der Rast auf ihren Weg in die Brutgebiete machen. | 400 mm, 1/800 Sek., Blende 6,3, ISO 200, Stativ
Abb.9: Die große Familie mit typischen Gattungen wie Strand- und Wasserläufern sind meist gut bei der Nahrungssuche am Wassersaum zu beobachten. Dann lege ich mich mit genügend Abstand zu den Vögeln meist flach auf den Boden, um auf gleicher Augenhöhe zu sein. Mit viel Geduld und oft mit durchnässter Kleidung komme ich dann auch zu dem gewünschten Ergebnis. | 700 mm, 1/800 Sek., Blende 10, ISO 500, Bohnensack

Lebensraum Dünen

Auf der Insel Amrum ist direkt im Anschluss an den Kniepsand eine grandiose Dünenlandschaft entstanden. Die Dünen schützen vor Sturmfluten und tragen dazu bei, dass der freie Sand sich fängt. So erhalten die Dünen vom Strand her stets neue, sandige Nahrung und können die Insel vor Überflutungen schützen. Unter dem Einfluss von Wind und Gezeiten wird der Lebensraum Düne stets neu geformt.

Abb.10: Oft verfängt sich der starke Sturm in den Dünentälern und wirbelt die feinen Körner in die Luft. Die Dünen werden neu geformt | 400 mm, 1/400 Sek., Blende 9, ISO 100, Polfilter, Stativ
Abb.11: Ohne Pause ist er am Werk, der Baumeister Wind. Exakt zieht er die Linie am Dünenkamm. Da fast immer zwischen den Dünen der Wind stark weht, sollte man stets einen Schutz für Kamera und Objektiv dabeihaben. Aber bitte beim Fotografieren immer an den Dünenschutz denken und sich auch daran halten. | 430 mm, 1/500 Sek., Blende 7,1, ISO 100, Stativ

Wattwanderung

Es ist ein faszinierendes Gefühl, mitten im Wattenmeer bei Ebbe barfuß über den Meeresgrund der Nordsee zu gehen und das Watt mit den Füßen zu spüren. Alleine sollte man sich allerdings nicht auf den Weg machen. Schnell kann sich das Wetter ändern und man steht im Nebel. Es ist unbedingt ratsam, sich einem erfahrenen Wattführer anzuschließen. Von ihm erfährt man auch viel Wissenswertes über das Watt und seine Bewohner.

Abb.12: Mit dem Inselläufer Dark Blome und einer kleinen Gruppe machte ich mich bei Einsetzen des Niedrigwassers auf den acht Kilometer langen Weg von der Insel Föhr zur Odde auf Amrum. | 24 mm, 1/60 Sek., Blende 13, ISO 100, Grauverlaufsfilter
Abb.13: War es am Anfang noch kalt und der Seenebel verdeckte die Sonne, durchbrach sie hinter dem großen Priel den Nebel und zeigte uns das Watt in seinem schönsten Licht. | 24 mm, 1/60 Sek., Blende 13, ISO 100, Polfilter, Stativ

Aus der Luft

Mit einem kleinen Sportflugzeug flog ich von dem kleinen Flughafen auf der Insel Föhr über das Schleswig-Holsteinische Wattenmeer. Da der Pilot wusste, dass ich aus der Luft Aufnahmen machen wollte, hatte er im Vorfeld den zweiten Sitz und das Seitenfenster ausgebaut. Mit viel Bewegungsfreiheit konnte ich so den Blick von oben auf die einzigartige Landschaft des Wattenmeeres genießen und fotografieren.

Abb.14: Wind, Wasser und Wellen haben eine Landschaft geformt, die sich ständig verändert. Erst aus der Vogelperspektive zeigt sich die komplexe Schönheit des Wattenmeeres und man kann erkennen, wie sich die filigranen Verästelungen der Priele, ähnlich wie die Äste eines Baumes, verzweigen. | 100 mm, 1/250 Sek., Blende 8, ISO 640
Abb.15: Nur aus der Luft zu erkennen. Kunst in der Natur | 100 mm, 1/250 Sek., Blende 8, ISO 400, Bildausschnitt



Uwe Wuller wurde im Oberbergischen Kreis geboren und lebt heute im Rhein-Sieg-Kreis.
Seit 1996 ist er mit der Kamera in der Natur unterwegs. Sein fotografischer Schwerpunkt liegt in der Landschaftsfotografie, mit besonderer Gewichtung auf die deutschen Landschaften. Einen Großteil seiner Freizeit verbringt er damit, heimische Gebiete neu zu entdecken und die teilweise unglaubliche Vielfalt der Natur zu fotografieren. Die Ergebnisse seiner Projekte, die er alleine oder mit Fotofreunden erarbeitet hat, zeigt er in Multivisionsschauen einem öffentlichen Publikum.
Er ist Mitglied der GDT und des Naturfototreffs Eschmar. www.wuller-naturfoto.de

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