von Rudolf Krahm
Zwischen Horizont und Düne – das Wattenmeer
von Rudolf Krahm
Uwe Wuller
Mit seinem weiten Horizont prägt das facettenreiche Wattenmeer die Küsten. Ein Meer, das niemals ruht. Nicht Wasser, nicht Land. Rastplatz für Millionen Vögel. Willkommen im Wattenmeer – eine der faszinierendsten und urwüchsigsten Regionen Europas. Hier, wo sich Himmel und Erde die Bühne teilen!
Wie in einem riesigen Theater inszenieren Licht, Wind und Wellen hier spektakuläre Schauspiele. Das Programm wechselt mehrmals täglich, im Rhythmus der Gezeiten verwandelt das Meer die Panoramen immer wieder neu. Die Natur führt die Regie. Je nach Jahreszeit schiebt der Wind mal zarte, mal dramatische Wolkenkulissen vorbei.
Die Flut baut schnell den Bühnenboden um, bis dann bei Ebbe das Meer wieder zum Horizont entschwindet und ihn neu gestaltet wieder freigibt. Mit rund 10.000 Quadratkilometern Wattflächen, Prielen und Flachwasser, gehört es zu den größten Lebensräumen, die wir in Westeuropa noch haben.
Das Wattenmeer ist weitgehend in seinem ursprünglichen Zustand erhalten, es ist das vogelreichste Gebiet Europas und Deutschlands bedeutendster Naturraum. Der Reichtum an Nahrung und die davon angezogenen Vogelmassen waren wichtige Gründe für die Ausweisung des Wattenmeeres als Nationalpark, sowie die Anerkennung als UNESCO Weltnaturerbe im Jahr 2009.
Als ich im September 2012 zum ersten Mal mit dieser Landschaft im NP Niedersächsisches Wattenmeer fotografisch in Berührung kam, hatte sie mich sofort in ihren Bann gezogen. Es war das Licht, das sich immer wieder veränderte. Mal waren dramatische Wolken am blauen Himmel, mal nur weiße Farbtupfer. Seitdem besuche ich regelmäßig die Westfriesischen Inseln vor der Küste der Niederlande bis hin zu den Nordfriesischen Inseln vor der Küste von Schleswig-Holstein. Mitten im Wattenmeer liegt die Nordfriesische Insel Amrum. Durch inzwischen viele Besuche habe ich die Insel kennengelernt und weiß, wo ich am frühen Morgen den besten Standort am Watt habe und wo ich, ohne zu stören, Vogelaufnahmen machen kann.
Morgens am Watt
Strömung und Wellenschlag haben dem festen Wattboden ein verwirrendes Muster von Rippelmarken eingeprägt, die sich nach jeder Tiede wieder verändern. Je nach Stand der Ebbe wirkt das Wattenmeer wie eine scheinbar endlose Schlammwüste. Beim genauen Hinsehen entpuppt sich dieser scheinbar langweilige Naturraum aber als äußerst spannend.
Noch vor der beginnenden Morgendämmerung mache ich mich mit dem Fahrrad auf den Weg zur Odde oder zum Kliff. Über den Gezeitenkalender habe ich mich über den Stand von Ebbe und Flut informiert. Der Wechsel zwischen Ebbe und Flut bietet für mich abwechslungsreiche Situationen. Die Rippelmarken des Sandwatts sind in den frühen Morgenstunden noch nicht mit Fußspuren bedeckt. So kann dann überwiegend ein Weitwinkelobjektiv zum Einsatz kommen.
Treffen dann die ersten Sonnenstrahlen auf den Boden und hüllen die Rippel in ein goldenes Licht, bieten sich unendlich viele Motive an. Dann ist es Zeit für einen Objektivwechsel. Vom Makro bis zum Tele ist alles erlaubt.
Ist das Sandwatt noch gut begehbar und rippelig, ist bei dem Schlickwatt Vorsicht geboten. Schnell kann man bis zu den Waden einsinken. Da mir das einmal passiert ist und ich mich nur mit Hilfe eines Freundes aus dem Schlick ziehen konnte, baue ich das Stativ nur noch auf festem Boden auf.
Formen und Strukturen
Bei Niedrigwasser und Ebbe bietet der Grund des Meeres ein unermessliches Angebot an Formen und Strukturen. Diese kaum beachteten Details versuche ich dann in den Mittelpunkt der Landschaft zu stellen. Auch hier spielt das Licht für mich eine wichtige Rolle.
Rastplatz Wattenmeer
Nirgendwo kann man mehr unterschiedliche Vogelarten beobachten wie am Watt. Neben den hier ständig vorkommenden Vögeln, wie z. B. Austernfischer, Säbelschnäbler und Brandgans suchen Jahr für Jahr ca. 12 Millionen Wasser-, Watt- und Küstenvögel aus arktischen und subarktischen Brutgebieten das Wattenmeer auf.
Sie benutzen das Wattenmeer entweder als Winterquartier oder als „Tankstelle“ zur Auffüllung ihrer Energiereserven für die bis zu 5000 km weite Zugstrecke, sei es im Herbst in die südlichen Winterquartiere oder im Frühjahr in ihre Brutgebiete im hohen Norden.
Für einige Wochen sind dann Ringelgans, Knutt, Alpenstrandläufer, Pfeifente und Pfuhlschnepfe in riesigen Schwärmen über dem Watt zusehen.
Lebensraum Dünen
Auf der Insel Amrum ist direkt im Anschluss an den Kniepsand eine grandiose Dünenlandschaft entstanden. Die Dünen schützen vor Sturmfluten und tragen dazu bei, dass der freie Sand sich fängt. So erhalten die Dünen vom Strand her stets neue, sandige Nahrung und können die Insel vor Überflutungen schützen. Unter dem Einfluss von Wind und Gezeiten wird der Lebensraum Düne stets neu geformt.
Wattwanderung
Es ist ein faszinierendes Gefühl, mitten im Wattenmeer bei Ebbe barfuß über den Meeresgrund der Nordsee zu gehen und das Watt mit den Füßen zu spüren. Alleine sollte man sich allerdings nicht auf den Weg machen. Schnell kann sich das Wetter ändern und man steht im Nebel. Es ist unbedingt ratsam, sich einem erfahrenen Wattführer anzuschließen. Von ihm erfährt man auch viel Wissenswertes über das Watt und seine Bewohner.
Aus der Luft
Mit einem kleinen Sportflugzeug flog ich von dem kleinen Flughafen auf der Insel Föhr über das Schleswig-Holsteinische Wattenmeer. Da der Pilot wusste, dass ich aus der Luft Aufnahmen machen wollte, hatte er im Vorfeld den zweiten Sitz und das Seitenfenster ausgebaut. Mit viel Bewegungsfreiheit konnte ich so den Blick von oben auf die einzigartige Landschaft des Wattenmeeres genießen und fotografieren.
Uwe Wuller wurde im Oberbergischen Kreis geboren und lebt heute im Rhein-Sieg-Kreis.
Seit 1996 ist er mit der Kamera in der Natur unterwegs. Sein fotografischer Schwerpunkt liegt in der Landschaftsfotografie, mit besonderer Gewichtung auf die deutschen Landschaften. Einen Großteil seiner Freizeit verbringt er damit, heimische Gebiete neu zu entdecken und die teilweise unglaubliche Vielfalt der Natur zu fotografieren. Die Ergebnisse seiner Projekte, die er alleine oder mit Fotofreunden erarbeitet hat, zeigt er in Multivisionsschauen einem öffentlichen Publikum.
Er ist Mitglied der GDT und des Naturfototreffs Eschmar. www.wuller-naturfoto.de